Ob Smartphone, Schokolade oder ein neues T-Shirt – in fast allen Importartikeln aus Afrika, Asien, Lateinamerika oder Osteuropa steckt Kinderarbeit. Schon Achtjährige arbeiten auf Plantagen, in Minen oder werden als „Dienstboten“ aller Art verkauft. Am Internationalen Tag gegen Kinderarbeit, am 12. Juni, blickt die Internationale Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen ILO (International Labour Organisation) in Genf (Schweiz) besonders auf die Notlage der Kinder.
Mit weltweit 160 Millionen Kindern in Kinderarbeit ist laut ILO ein neuer Höchststand erreicht. „Die Corona-Pandemie, in der Schulen geschlossen blieben, trieb viele Kinder zurück aufs Feld“, sagte Volker Erbacher dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bildung jedoch sei der Schlüssel beim Einsatz gegen Kinderarbeit, betonte der Referent für „Brot für die Welt“ im Diakonischen Werk Baden in Karlsruhe.
Das Hilfswerk der evangelischen Kirchen in Deutschland unterstützt mit seinen Sammlungen regelmäßig Projekte, die Kinder vor ausbeuterischer Kinderarbeit schützen. Bei einer Schwerpunktsammlung für ein Bildungsprojekt in Sierra Leone (Westafrika) kamen 2021 in Baden rund 4,3 Millionen, deutschlandweit rund 62,4 Millionen Euro zusammen.
Armut und Unrechtsstrukturen begünstigen Kinderarbeit. Fachleute unterscheiden zwischen Mithilfe, Ausbeutung und illegaler Arbeit. „Wenn Kinder mithelfen in der Landwirtschaft, ist das nicht das Problem“, betonte Dieter Heidtmann. Der Generalsekretär der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS) in Stuttgart zieht die rote Linie dort, wo „ihnen durch diese Arbeit Zukunftschancen genommen werden.“ Der Stiftung gehören 25 Mitgliedskirchen an, darunter die Evangelische Landeskirche in Baden und die Evangelische Landeskirche in Württemberg. Die EMS fördert Bildungsprojekte und bekämpft elterliche Armut in neun Ländern mit jährlich rund 3,5 Millionen Euro.
In Ghana etwa richtet sich ein Projekt gezielt an Frauen und Alleinerziehende. Sie erhalten ein männliches und ein weibliches Kleinvieh, mit dem sie züchten und den Lebensunterhalt der Familie – unabhängig von Männern – sichern können. „Da werden Frauen als Geschäftspartner ernst genommen“, lobte Heidtmann.
Unter ausbeuterischen Verhältnissen leiden rund 80 Millionen Kinder, in der Landwirtschaft, im Tagebau. Ihre Bezahlung – ein Hungerlohn. Die Arbeitsbedingungen – verheerend: enge Minen, die zu eng sind für einen Erwachsenen, kein Tageslicht, Kontakt mit giftigen Stoffen.
Volker Erbacher spricht von einem „Milliardengeschäft“ der Unternehmen mit den minderjährigen Arbeiterinnen und Arbeitern. Viele würden als Kindersoldaten „verkauft“, in die Prostitution getrieben oder als Drogenkuriere missbraucht, sagte der Pfarrer. Statistiken zu dieser Arbeit in der „Illegalität“ gibt es keine, Erbacher schätzt die Zahl auf rund 73 Millionen Kinder.
Der Landeskirchliche Beauftragte für den Entwicklungsdienst Bayern bei „Mission EineWelt“ in Neuendettelsau, Jürgen Bergmann, hebt den Verlust für die Gesamtgesellschaft hervor, wenn ein Kind nicht kindgemäß aufwachsen kann. „Es wird nicht das Potenzial entfalten, das für die Gesellschaft und es selbst möglich wäre“, so der Leiter des Referats Bildung Global bei der Missionsgesellschaft der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern. Eine Maßnahme, um die ausbeuterischen Verhältnisse zu stoppen, ist das Lieferkettensorgfaltsgesetz.
Erste Auswirkungen auf „wilden Minen“ im Kongo schreibt Bergmann dem für Deutschland gültigen Gesetz zu. Die Automobilindustrie greife nicht mehr auf Produkte aus diesen Minen zurück, sagte er. Keine Verbesserungen sieht er dagegen auf Kakaoplantagen.
Die Schokoladenindustrie mache seit Jahrzehnten Versprechungen, dass sie Kinderarbeit abstellen werde, passiert sei nichts. „Mein Vertrauen in die Schokoladenindustrie ist gleich Null“, sagte Bergmann. (1266/10.06.2024)