Es ist regional sehr unterschiedlich, wie die Zahl der Pflegebedürftigen steigt. Dazu liegt jetzt eine Analyse vor, die diese Unterschiede auflistet. Es geht auch darum, wie die “Pflege der Zukunft” aussehen könnte.
Zur Hilfe: Die Babyboomer kommen. Sie werden die Situation in der Pflege in den kommenden Jahren massiv verändern. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird stark zunehmen – von derzeit 5,3 Millionen auf mehr als 7 Millionen im Jahr 2055. Die Krankenkasse AOK fordert deshalb ein Umdenken in der Pflege: Die Versorgung pflegebedürftiger Menschen müsse in den Kommunen neu aufgestellt werden, erklärte die Vorstandsvorsitzende Carola Reimann am Dienstag in Berlin. Dort müssten Beratungszentren und Unterstützungs-Netzwerke ausgebaut werden – auch mit Hilfe Ehrenamtlicher.
Eine Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK zeigt, wie groß die regionalen Unterschiede in den 400 Kreisen und kreisfreien Städten beim Thema Pflege sind. Waren im Bundesdurchschnitt 2023 rund sieben Prozent aller Einwohner pflegebedürftig, so bekamen in Kreisen in Ostdeutschland, Nordrhein-Westfalen, Hessen und im Saarland zwischen 9,1 und 17,1 Prozent der Einwohner Leistungen der Pflegeversicherung.
In den Brandenburger Kreisen Barnim, Prignitz und Ostprignitz-Ruppin leben anteilsmäßig die meisten Pflegebedürftigen. In wenigen Regionen, vor allem in Bayern und Baden-Württemberg, gibt es die niedrigsten Raten. München, Freising und Rosenheim haben den geringsten Anteil: Hier ist jede 27. bis 29. Person von Pflegebedürftigkeit betroffen (3,4 bis 3,7 Prozent).
Wie sich Probleme verschärfen, zeigt sich auch bei den Wachstumsraten: Stieg die Zahl der Pflegebedürftigen zwischen 2017 und 2023 im Bundesdurchschnitt um 57 Prozent, so gab es in einem Fünftel der deutschen Landkreise und Städte eine Steigerung um 80,7 bis zu 143,8 Prozent, vor allem in NRW und in Teilen Sachsens.
Wichtig für die künftige Gestaltung der Pflege ist auch, welche Leistungen die Betroffenen in Anspruch nehmen. Laut AOK-Analyse bezogen im bundesweiten Durchschnitt 58,6 Prozent der pflegebedürftigen Bevölkerung 2023 ausschließlich Pflegegeld. In weiten Teilen Westdeutschlands sind es sogar 65,6 bis 79,2 Prozent. Vollstationäre Pflege nehmen im Bundesdurchschnitt rund 21,4 Prozent der Pflegebedürftigen in Anspruch. Insbesondere in Schleswig-Holstein und in Teilen Bayerns leben aber 25 bis 33 Prozent der Betroffenen im Pflegeheim.
Diese Unterschiede hängen laut der Analyse nicht nur mit Alter, Pflegeschwere und Demenz zusammen. Es geht auch um vorhandene “informelle Unterstützungssysteme”: also die Hilfe durch Angehörige, Freundeskreise, Nachbarn und Ehrenamtliche. Auch die Berufstätigkeit von Frauen sowie städtische und dörfliche Strukturen sind bedeutsam dafür, wie Pflegebedürftige versorgt werden.
“Ohne Zweifel werden mit Blick auf die anstehenden demografischen Herausforderungen die regionalen Pflegestrukturplanungen erheblich an Bedeutung gewinnen”, betonen die Autoren der Studie. Die Vorstandsvorsitzende Reimann unterstreicht, Pflege müsse verstärkt als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gesehen werden: Vielversprechend ist aus ihrer Sicht das Konzept der “Caring Communities”. Damit ist – als Ergänzung zur professionellen Pflege – die Schaffung von Sorgestrukturen vor Ort im Stadtviertel oder im Dorf gemeint, bei einer deutlichen Stärkung der Rolle der Kommune sowie des bürgerschaftlichen Engagements, des Ehrenamtes.
“Gerade vor dem Hintergrund des Aufweichens traditioneller Familienstrukturen sind lokale Netzwerke wesentlich”, sagt Reimann. Die Stadt Hannover geht hier nach Einschätzung der AOK mit gutem Beispiel voran. Dort werden nach den Worten von Dagmar Vogt-Janssen, Fachbereichsleiterin Senioren in der Landeshauptstadt, sogenannte Quartierszentren aufgebaut. Dort werden Beratungs-, Bildungs- und Kulturangebote zur gesellschaftlichen Teilhabe geschaffen, gleichzeitig gibt es therapeutische, medizinische und pflegerische Angebote.
Ein Quartierszentrum soll beispielsweise als Wohn- und Pflegezentrum mit Plätzen für die Langzeitpflege und im betreuten Wohnen ausgestaltet werden; daran angeschlossen sind Angebote wie präventive Hausbesuche oder ein gemeinsamer Mittagstisch für die Bewohner in der Umgebung. Zudem gibt es Kooperationen mit Arztpraxen, Angehörigenschulungen und mehr.