Auf dem Parteitag erteilt Kanzler Scholz Forderungen nach Lohnkürzung am ersten Arbeitstag und einer Verschärfung des Staatsbürgerschaftsrechts eine Absage. Die SPD befürwortet dagegen eine Reform der Abtreibungsregelung.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lehnt die Einführung eines unbezahlten Karenztags im Krankheitsfall ab. “Arbeitnehmer sollen am ersten Tag, an dem sie krank sind, keinen Lohn mehr bekommen. Was für eine absurde Idee”, sagte Scholz am Samstag in Berlin. Dahinter stehe die Unterstellung, “die Leute seien alle faul, sie wollten alle blau machen”. Scholz: “Dieser Generalverdacht untergräbt den Zusammenhalt in unserem Land.” Noch nie hätten so viele Männer und Frauen so viel gearbeitet wie jetzt. Millionen von Beschäftigten leisteten Milliarden von Überstunden.
Der Chef des Versicherungskonzerns Allianz, Oliver Bäte, hatte vorgeschlagen, den sogenannten Karenztag bei Krankmeldungen wieder einzuführen. So würden Arbeitnehmer die Kosten für den ersten Krankheitstag selbst tragen. Scholz äußerte sich auf dem SPD-Parteitag in Berlin, auf dem die Delegierten ihn als Kanzlerkandidaten mit großer Mehrheit bestätigten.
Auch einer Abkehr vom Staatsangehörigkeitsrecht erteilte Scholz eine Absage. 25 Millionen Männer, Frauen und Kinder hätten in Deutschland eine Einwanderungsgeschichte. Wer gut integriert sei, “soll zu unserem Land gehören und soll mitbestimmen in unserer Demokratie”.
Derzeit ist eine Einbürgerung nach fünf, in Fällen von besonders guter Integrationsleistung sogar schon nach drei Jahren möglich. Zuvor lag die Grenze bei acht Jahren. Gleichzeitig wurden die Möglichkeiten für eine doppelte Staatsbürgerschaft deutlich ausgeweitet. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) hatte angekündigt bei einem Wahlsieg wieder für höhere Hürden bei der Einbürgerung zu sorgen.
Die stellvertretende SPD-Vorsitzende und Bundesbauministerin Klara Geywitz bekräftigte unterdessen die SPD-Position für eine Liberalisierung der Abtreibungsregelung. Der Kampf gehe weiter, sagte Geywitz. Schwangerschaftskonflikte sollten nicht im Strafgesetzbuch geregelt werden, so die Ministerin in ihrer Rede beim SPD-Parteitag.
Kern eines interfraktionellen Gesetzentwurfs ist, dass Schwangerschaftsabbrüche bis zur zwölften Woche grundsätzlich rechtmäßig sein sollen. Er sieht eine Beibehaltung der Beratungspflicht vor, allerdings ohne die derzeit geltende Wartezeit von drei Tagen bis zur Abtreibung. Die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs sollen künftig zudem von der Krankenkasse übernommen werden. Der Entwurf befindet sich im parlamentarischen Verfahren. Ob der Bundestag noch in dieser Legislatur darüber abstimmt, ist eher unwahrscheinlich.
Derzeit sind in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche laut Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs rechtswidrig. Abtreibungen in den ersten zwölf Wochen bleiben aber straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt. Ebenso straffrei bleibt der Eingriff aus medizinischen Gründen sowie nach einer Vergewaltigung.
In ihren Wahlprogrammen sprechen sich SPD und Grüne für eine Liberalisierung der Abtreibungsregelung aus und lehnen sich dabei an den Gesetzentwurf an. So heißt es im Wahlprogramm der SPD dazu unter anderem: “Wir werden Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisieren und außerhalb des Strafrechts regeln – außer wenn sie gegen oder ohne den Willen der Schwangeren erfolgen.” Die Grünen betonen “das Recht auf Zugang zu sicheren und legalen Schwangerschaftsabbrüchen”. Die Linke ist für eine ersatzlose Streichung von Paragraf 218.