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Katholikentag im Wahlkampfmodus

Wer die Wahl hat, hat die Qual. In gewisser Weise gilt das auch für den Katholikentag in Erfurt. Er liegt genau zwischen diversen Wahlen. Das hat Auswirkungen: Alle Politiker bei dem Christentreffen sind im Wahlkampf.

Wenn am Mittwoch der Katholikentag in Erfurt beginnt, liegen die Ergebnisse der Thüringer Kommunalwahlen frisch auf dem Tisch. Bundesweit beäugt und kommentiert, gerade mit Blick auf das Abschneiden der AfD. Denn der Auftakt zum Superwahljahr gilt als Stimmungstest: Am 9. Juni folgen die Europawahl und in weiteren acht Bundesländern Kommunalwahlen. Im September sind dann Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg.

Das alles hat auch Auswirkungen auf das fünftägige Christentreffen in Erfurt. Es wird inhaltlich ein hoch politischer Katholikentag, nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Kriege in der Ukraine und Nahost sowie der gesellschaftspolitischen Spannungen im Inland. Aber es wird auch ein Katholikentag im Wahlkampf-Modus. Denn jeder aus der Politik, der dort auf einem Panel sitzt, wird immer auch vor dem Hintergrund der anstehenden Wahlen mitdiskutieren.

So ist unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim Podium “Unsere Verantwortung für die Demokratie”, Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) bei “Teilhabe statt Armut”, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei “Die sozialökologische Transformation beschleunigen”. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) diskutiert über Schwangerschaftsabbrüche und Paragraf 218 und SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert darüber, was die Gesellschaft künftig zusammenhält. Der CSU-Spitzenkandidat für die Europawahl und EVP-Fraktionsvorsitzende, Manfred Weber, ist auf dem Panel “Friedensethische Kriterien in neuer Zeit” und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) spricht über christliches Engagement in säkularer Gesellschaft.

Wie schon beim Katholikentag vor zwei Jahren in Stuttgart sind Unions-Vertreter aus der ersten Reihe ansonsten relativ rar. CDU-Chef Merz kommt nur zur Eröffnung. Die Veranstalter indes beschwichtigen. “Friedrich Merz hat mir persönlich gesagt, dass er großes Interesse am Katholikentag hat”, sagte die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Er sei aber parallel zum Katholikentag auf einer Auslandsreise: “Das Ganze als eine Entfremdung wahrzunehmen, scheint mir überinterpretiert. Wir haben eine ganze Reihe prominenter CDU-Leute auf den Podien.” Es sind vor allem die früheren Ministerinnen Annegret Kramp-Karrenbauer, Monika Grütters, Anja Karliczek – allesamt auch Mitglieder im ZdK.

Auch bei diesem Katholikentag wieder nicht dabei: AfD-Vertreter. Ganz bewusst hat sich das ZdK als Veranstalter erneut entschieden, keine AfD-Mandatsträger als Diskutanten einzuladen. Stetter-Karp hatte unlängst noch einmal betont: “Der Katholikentag wird ein deutliches Zeichen gegen den erstarkenden Rechtsextremismus und gegen Menschenfeindlichkeit setzen. Die AfD, in Thüringen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft, verstärkt eine fatale Entwicklung. Für den Katholikentag ist das inakzeptabel.”

Die Entscheidung ist nicht gänzlich unumstritten. Kritiker wenden ein, man dürfe nicht immer nur über die AfD reden und sie von den Podien ausschließen – erst recht vor dem Hintergrund, dass die Partei im Freistaat bei Wahlumfragen seit einiger Zeit stabil bei rund 30 Prozent liegt. Auch in Sachsen und Brandenburg ist sie in den Umfragen stärkste Kraft. Zugleich muss man sehen, wie sehr sich die Partei in den vergangenen Monaten nochmals radikalisiert hat.

Ein neuer politischer Player ist das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Parallel zum Katholikentag findet am 1. Juni der erste Landesparteitag in Erfurt statt. In Wahlumfragen kommt das BSW in Thüringen aktuell aus dem Stand auf 16 Prozent, gleichauf mit den Linken von Ministerpräsident Bodo Ramelow – und ist damit drittstärkste Kraft nach der AfD (30 Prozent) und der CDU (20 Prozent). Die SPD liegt bei 7 Prozent, die Grünen bei 5 Prozent. Wie auch immer die Wahl ausgeht – das BSW wird aller Voraussicht nach eine nicht unerhebliche Rolle bei der Regierungsbildung danach spielen.

Und die BSW-Spitzenkandidatin für Thüringen, Eisenachs Oberbürgermeisterin Katja Wolf, sitzt am Tag vor dem Parteitag auf dem Katholikentagspodium “Was brauchen Familien von Politik und Kirche?” Die 48-Jährige war von den Linken zum BSW gewechselt. Sie wird auch von Kirchenvertretern geschätzt. Im vergangenen Jahr hielt sie einen Vortrag bei den Erfurter Kreuzganggesprächen über Politik und Vertrauen. Auch sie wird beim Katholikentag die Landtagswahl sicher klar vor Augen haben.