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Großer Liberaler und Anwalt der Menschenwürde

Anwalt der Menschenrechte, Verteidiger der Demokratie und Stimme der Freiheit: Der frühere Bundesinnenminister und FDP-Politiker Gerhart Baum ist mit 92 Jahren gestorben. Dies gab die nordrhein-westfälische FDP am Samstag bekannt. Parteiübergreifend wurden am Wochenende die Verdienste des in Dresden geborenen Politikers und Juristen gewürdigt, der zuletzt in Köln lebte.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erklärte, Deutschland habe einen Menschen verloren, „der aus eigener Lebenserfahrung die Schrecken von Diktatur und Krieg kannte und der daraus seine schier nie nachlassende Kraft schöpfte, für Demokratie, Freiheit, Bürger- und Menschenrechte zu kämpfen“. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) würdigte Baum als „großen Liberalen und engagierten Demokraten“, der sich bis zuletzt „klug zu Wort gemeldet und sich um Deutschland verdient gemacht“ habe.

Gerhart Baum galt als wichtiger Vertreter der sozial-liberalen Strömung innerhalb der FDP. Bis zuletzt beteiligte er sich an politischen Debatten. Wiederholt warnte er vor dem Aufstieg der AfD, die er als Gefahr für die Demokratie sah, und rief zum Schutz des Grundgesetzes auf.

Der Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) würdigte Gerhart Baum als Menschen, dessen Stimme auch nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik immer großes Gewicht gehabt habe, wenn es um die Grundwerte der freiheitlichen Demokratie ging. „Ein großer Dresdner ist von uns gegangen“, betonte Hilbert. Nur wenige Politiker seiner Generation hätten ein so hohes Ansehen in Deutschland genossen. Auch von weiteren Seiten kamen Beileidsbekundungen.

Gerhart Baum wurde am 28. Oktober 1932 in Dresden geboren, verließ die Stadt nach der Zerstörung durch alliierte Luftangriffe 1945 und studierte ab 1953 in Köln Jura. Seit 1954 war er Mitglied der FDP, für die er von 1972 bis 1994 im Bundestag saß. 1972 wurde er zunächst parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, 1978 im Kabinett von Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) dann Bundesinnenminister bis zum Bruch der sozial-liberalen Koalition 1982.

Anschließend war Baum in verschiedenen Funktionen in der Menschenrechtsarbeit aktiv. Seit 1994 war er zudem wieder als Rechtsanwalt tätig. Für seinen Einsatz für Bürger- und Menschenrechte erhielt er zahlreiche Auszeichnungen.

Hilbert betonte, trotz seines Weggangs aus Dresden sei Gerhart Baum seiner Geburtsstadt eng verbunden geblieben. Neben seinem politischen Wirken sei er als bekannter Bürgerrechtler und Umweltschützer aktiv sowie engagiertes Ehrenmitglied des Vereins „Friends of Dresden“ gewesen und später Präsident des Kuratoriums des Friedenspreises Dresden geworden. In dieser Funktion habe er 2010 den ersten Dresdner Friedenspreis an Michail Gorbatschow verliehen und dabei die Bedeutung des zivilgesellschaftlichen Engagements für politische Veränderungen betonte.

Bei der Verleihung des diesjährigen Dresdner Friedenspreises wurde am Sonntag in der Semperoper eine Rede von Gerhart Baum verlesen, die er dort hatte halten wollen. Darin rief er dazu auf, die Demokratie zu verteidigen. „Es wird höchste Zeit, dass wir aufwachen“, hieß es in Baums Redetext: „Die Gesellschaft muss begreifen, was auf dem Spiel steht.“