Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein hat den Versuch der Kieler Ausländerbehörde kritisiert, am Mittwoch (20. Dezember) mit polizeilicher Amtshilfe aus Mecklenburg-Vorpommern „gewaltsam in eine Kirche in Schwerin einzubrechen“, in der eine afghanische Familie im Kirchenasyl lebte. Es handele sich um die Familie einer afghanischen Frauenrechtlerin und Journalistin, die eine Aufnahmezusage des Auswärtigen Amtes erhalten habe, weil sie höchst gefährdet durch Verfolgung seitens des Taliban-Regimes sei, teilte der Flüchtlingsrat SH am Donnerstag in Kiel mit. Nachdem die deutsche Botschaft aber nicht in der Lage gewesen sei, ein zeitnahes Visum auszustellen, sei die Familie gezwungen gewesen, zunächst über den Iran den Fluchtweg nach Spanien zu nehmen, hieß es.
„In diesem Fall mischt sich ein zulasten der Betroffenen komatös langsames Handeln des Auswärtigen Amtes mit einer auf brachiale Ermessensnegativität ausgerichteten Verwaltungspraxis der zuständigen Kieler Ausländerbehörde“, erklärte der Flüchtlingsrat SH. Dass das Auswärtige Amt „es offenbar nicht auf die Reihe bekommt, in zumutbarer Zeitnähe ein Einreisevisum auszustellen, offenbart, wie wenig ernst gemeint die ministeriellen Worthülsen von einer feministischen Außenpolitik im Zweifel gemeint sind“, hieß es.
Dass der Kieler Behörde trotz der fachärztlich und therapeutisch nachgewiesenen Erkrankung von Mutter und Sohn nichts Besseres einfalle, als „mit brachialer Gewalt“ zu versuchen, die traumatisierte Familie aus dem Kirchenasyl heraus zu zwingen, „sollte die Amtsleitung und die ministerielle Fachaufsicht alarmieren“, so der Flüchtlingsrat.
Der Flüchtlingsrat appelliere an Schleswig-Holsteins Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne), einen gesicherten Aufenthalt der afghanischen Familie zu gewährleisten. Der Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) solle „seine im landesweiten Vergleich inzwischen für ihr restriktives Verwaltungshandeln berüchtigte Ausländerbehörde an die Kette“ legen.
Die Polizei in Schwerin hatte wegen eines Amtshilfegesuchs der Kieler Ausländerbehörde am Mittwoch ein bestehendes Kirchenasyl in der evangelischen Petrusgemeinde in Schwerin gebrochen, um zwei erwachsene Söhne einer sechsköpfigen afghanischen Familie nach Spanien abzuschieben. Die Abschiebung scheiterte, weil sowohl die Mutter als auch einer der Söhne sich in einem psychischen Ausnahmezustand befanden. Bis auf die Mutter, die sich noch in einer Klinik befindet, hält sich die Familie weiter im Kirchenasyl der Gemeinde auf.