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EKBO-Synode diskutiert über gerechten Frieden

Auf der kommenden EKBO-Synode spielt die Debatte um den gerechten Frieden eine zentrale Rolle. Die Landeskirche muss sich in gewaltvollen Zeiten positionieren.

Personen beim Trauerweg am 24. September 2024
Personen beim Trauerweg am 24. September 2024Peter Theiss

Die Polizei war erstaunt, dass wir trotz der Waffenstillstands-Verhandlungen weitermachen. Auch im vierten Jahr, seit Russland am 24. Februar 2022 die Ukraine überfallen hat, gehen wir den „Trauerweg für die Opfer des Krieges“. An jedem 24. eines Monats versammelt sich eine Gruppe von rund 30 Personen um 18 Uhr vor der ukrainischen Botschaft, in der Berliner Albrechtstraße 26. Es ist keine Demonstration, auch keine kirchliche Prozession. Es gibt bei dieser säkularen Zeremonie keine Gebete, Lieder oder Segen. Es werden keine Forderungen geäußert oder lautstark politische Ziele verfolgt. Vielmehr gehen wir Monat für Monat im Schweigen.

Es hat viele irritiert, dass dabei der Toten in der Ukraine und auch jener in Russland gedacht wird. Die Zahl der Opfer in beiden Ländern ist mittlerweile auf über eine Million gestiegen. Seit Beginn der Verhandlungen haben sich die Angriffe sogar intensiviert und die Zahlen der Opfer erhöht, beklagt das UN-Menschenrechtskommissariat. Zur Eskalation der Gewalt gehört die unermessliche Steigerung von Leid. Seit dem 7. Oktober 2023 und dem Überfall der Hamas auf Israel und den Gegenschlägen der israelischen Armee in Gaza, beziehen wir die Opfer kriegerischer Gewalt in Israel und Palästina ein in das Totengedenken des Trauerweges.

Trauerweg für die Opfer von Kriegen

Auf dem Trauerweg nehmen die Teilnehmenden ein langes schwarzes Stoff-Band in die Hand. Für die nächsten eineinhalb Stunden schreiten sie still hintereinander, verbunden durch das Trauerband, durch das abendliche Berlin. Manche tragen ein Schild, in Deutsch und Englisch: „Wir trauern um die Opfer des Krieges“. Die nächste Station ist die russische Botschaft Unter den Linden. Der Schweigeweg endet am Brandenburger Tor.

Brandenburger Tor als Symbolort

An diesem Symbolort sowohl für die Teilung Europas als auch für den Neuanfang des Friedens halten wir ein letztes Mal. Oft stellen sich Touristen und Einheimische dazu. Das Anliegen, im Schweigen der Toten zu gedenken, vermittelt sich ohne Erklärung. An jeder Station wird das Gedicht „Chor der Tröster“ von 1946 gelesen. Es stammt von der Literatur-Nobelpreisträgerin Nelly Sachs. „Wer von uns darf trösten?“, heißt es darin eindringlich. „Nichts brauchen wir so sehr wie Trost“, sagen uns bis heute ukrainische Freundinnen und Weggefährten, seit wir vor drei Jahren mit ihnen das Konzept des Trauerweges besprachen.

Nichts werde in der kontrollierten ukrainischen Öffentlichkeit weniger thematisiert, fügen sie hinzu, als die Ohnmacht und Kriegsmüdigkeit der traumatisierten Bevölkerung und die Not der Seele. In Deutschland ist es nicht anders. Täglich erreichen uns bedrückendere Nachrichten von verlorenen ukrainischen Gebieten und Menschenleben. Ebenso sich gegenseitig überbietende militärische Lösungsansätze in den politischen Debatten, die nicht zum Schweigen der Waffen führten. Ein der Landessynode an diesem Wochenende vorliegender Beschluss-Entwurf wagt in dieser verunsichernden Lage eine Standortbestimmung. Er knüpft an das Synodenwort der EKBO von 2018 an, auch jetzt bewusst „auf dem Weg zur Kirche des gerechten Friedens“ weiterzugehen. Gerungen werde, „um den Preis der Schuld“, ob unter anderem militärische Abschreckung ein vertretbares Handeln sei.

Keine Feindbilder, keine Abwertungen

Am wichtigsten in dem vorliegenden Entwurf ist mir das Festhalten am jesuanischen Fundament des Evangeliums, „in unserem Gegenüber, auch dem feindlichen, den Menschen zu sehen“. Kollektive Abwertungen, Feindbilder und Gesprächsabbrüche können kein Weg einer Kirche sein, die sich dem Friedenstiften verpflichtet weiß. Nahe bei den Betroffenen sein, wie etwa im Kirchenasyl für russische Deserteure und ukrainische Geflüchtete, ist für mich politische Diakonie. Und einfache Formate wie ein Trauerweg, oder wie das Verwenden von drei Sprachen in der Liturgie (etwa beim Versöhnungsgebet von Coventry, in Ukrainisch, Russisch und Deutsch) verlassen die Feindbilder. Ich habe es als Lernschritte erfahren: politische Gestaltungen der Kirche zu finden für emotionale Tiefpunkte der Seele, nicht nur in der Passionszeit.

Thomas Jeutner ist Pfarrer an der Kapelle der Versöhnung (Kirchengemeinde am Gesundbrunnen) am Erinnerungsort Berliner Mauer. Er ist Mitglied im EKBO-Synodenausschuss „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“.