Dieser wunderbare Roman ist zuerst ein Hohes Lied auf die Freundschaft: der Ich-Erzähler, ein in Deutschland lebender Sohn türkischer Gastarbeiter, erfährt, dass sein Vater in der Türkei gestorben ist. Er leidet unter Flugangst und besitzt keinen Führerschein. Aber er muss zu seiner Mutter fahren, sie ruft nach ihm. Sie haben sich fünf Jahre lang nicht gesehen.
Die Freunde Aras und Tan, ebenfalls Türken, erklären: „Wir haben eine Mission. Du musst deine Mutter wiedersehen. Du musst am Grab deines Vaters beten.“ Aras organisiert die Fahrt, er mietet ein Auto, bucht die Übernachtungen; Tan fährt. Die Beschreibung dieser Reise mit ihren Gefahren, Schwierigkeiten und Kuriositäten bildet zusammen mit den Erinnerungen an den Vater den Inhalt des spannenden Buches.
„Sohn ohne Vater“: Als Deutschtürke zwischen zwei Welten
Geprägt wurde das Leben des Sohnes, der plötzlich vaterlos geworden ist, von der bleibenden Fremdheit „herkünftiger Türken“, wie er sich selbst bezeichnet. In der Münchener Grundschule war er das einzige Kind, das sich nicht bekreuzigte. Ein deutsch gewordener Türke sei ein „gefallener Türke“. Er habe keine Muttersprache, er sei „in die fremden Worte gegangen“. Dabei erfindet er originelle Ausdrücke, wie „verkahlen“ für „kahlköpfig werden“ oder „verfratzen“ für „ein hässliches Tiergesicht, eine Fratze bekommen“. Es ist die Sprache eines schon lang in Deutschland lebenden Türken.
Und das alles vor dem Hintergrund der tiefen Trauer um den Vater. Die Tage sind zerfetzt, der Tod ist ohne Trost, Im Sterben ist der Vater „zum Gerechten geschritten“, und es ist bitter für den Gläubigen, sich den Toten nicht zurückwünschen zu dürfen. „Gottlos ist der Mensch, der den Toten beweint, auf dass er sofort wiederkomme.“
Feridun Zaimoglu: Ein Schriftsteller, den Deutschland nötig hat
Feridun Zaimoglu wurde 1964 in der Türkei geboren und kam ein Jahr später mit seinen Eltern nach Deutschland. Er gehört längst zu den bedeutendsten deutschsprachigen Autoren. Dieser neue, soeben erschienene Roman weist ihn wiederum als unverwechselbaren, für Deutschland unbedingt notwendigen Schriftsteller aus.
Feridun Zaimoglu: “Sohn ohne Vater”, Verlag Kiepenheuer & Witsch Köln 2025, 19,99 Euro.