Die Widerspruchsregelung würde beim Thema Organspende Klarheit für Angehörige schaffen, sagt Felix Braun dem Evangelischen Pressedienst (epd) anlässlich des Tags der Organspende am (morgigen) Sonnabend. „In der klinischen Praxis erleben wir häufig, dass Organspenden nicht stattfinden, weil keine dokumentierte Entscheidung vorliegt“, sagt der Leiter der Sektion Klinische Transplantationsmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel. Eine Widerspruchsregelung würde diesen Konflikt für die Angehörigen, auf denen derzeit die Verantwortung im Trauerfall lastet, entschärfen.
Laut einer bundesweit repräsentativen Forsa-Befragung im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) aus 2023 mit Teilergebnissen aus Norddeutschland (Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Bremen und Niedersachsen) besitzen 54 Prozent der Norddeutschen einen ausgefüllten Spenderausweis. Deutlich mehr Menschen wären jedoch dazu bereit, ihre Organe nach dem Tod zu spenden (83 Prozent). Braun: „Eine Widerspruchsregelung würde die hohe Spendenbereitschaft, die wir in der Bevölkerung sehen, endlich besser abbilden.“
Braun glaubt, dass Deutschland sich aufgrund „der tief verankerten Sorge, staatliche Einflussnahme könne die individuelle Selbstbestimmung beschneiden“, mit der Entscheidung für die Widerspruchsregelung schwertut, während sie in Norwegen, Österreich oder Spanien schon lange gelte. Seiner Ansicht nach stärke die Regelung aber die Selbstbestimmung. „Wer keine Spende möchte, kann das klar hinterlegen. Die Strukturen wurden mit dem Organspenderegister geschaffen.“ Die Voraussetzung sei, dass sich Menschen bewusst mit der Frage auseinandersetzen.
Wenngleich eine Aufklärung der Bevölkerung seit vielen Jahren erfolge, sei diese auch weiterhin nötig, sagt der Mediziner. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass die Aufklärungsangebote stärker angenommen werden sollten, damit Menschen eine fundierte Entscheidung treffen können. Braun: „Die Wahrscheinlichkeit, selbst ein Spenderorgan zu benötigen, ist um ein Vielfaches höher als selbst Organspender zu werden.“ Mit Stand 31. Dezember 2024 standen am UKSH insgesamt 677 Menschen auf der Warteliste für ein Organtransplantation – 406 in Kiel und 271 in Lübeck.
Die Sorge, dass bei potenziellen Organspendern im Ernstfall nicht alles medizinisch Mögliche zur Lebensrettung unternommen werde, ist laut Braun unbegründet. „Bei uns steht ausnahmslos die Rettung des Lebens an erster Stelle.“ Die Entscheidung über lebenserhaltende Maßnahmen und die Frage einer Organspende seien medizinisch und rechtlich strikt getrennt. „Erst wenn der Tod durch einen zweifelsfrei festgestellten, irreversiblen Hirnfunktionsausfall bestätigt wurde, wird überhaupt über eine mögliche Organspende gesprochen.“