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Betreten verboten!

Der von US-Präsident Trump verhängte Einreisestopp betrifft Tausende Flüchtlinge. Hilfsorganisationen sind nahezu einmütig gegen den Erlass. Auch die Bundesregierung übt scharfe Kritik

picture alliance/AP Photo

GENF/new york/washington Tausende Flüchtlinge sind laut den Vereinten Nationen direkt von der Aussetzung des US-Aufnahmeprogramms betroffen. Die Lage der verängstigten Menschen sei alarmierend, warnte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, in Genf. Schätzungsweise 20 000 Flüchtlinge hätten in den nächsten drei Monaten in die USA übersiedeln sollen. Doch die Suspendierung des Aufnahmeprogramms mache das unmöglich. Die Männer, Frauen und Kinder seien vor Verfolgung, Gewalt und Krieg geflohen, betonte Grandi.

Tausende demonstrieren gegen den Erlass

Trump hatte zuvor das US-Programm zur Aufnahme von Flüchtlingen für vier Monate ausgesetzt, bis auf Weiteres einen Aufnahmestopp für Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Syrien verhängt und die Einreisebedingungen für viele Muslime deutlich verschärft. Nach dem Erlass mit dem Titel „Schutz der Nation vor der Einreise ausländischer Terroristen in die Vereinigten Staaten“ werden Bürger aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern keine Einreisevisa bekommen. Das gilt für den Irak, Syrien, den Iran, Libyen, Somalia, den Sudan und Jemen.
Tausende US-Amerikaner demonstrierten gegen den Präsidenten-Erlass. Hilfsverbände und Kirchenvertreter spielen prominente Rollen bei der Kritik, darunter die römisch-katholischen Bischöfe und die evangelikale Organisation „World Vision“. Ein Demons­trationszug in Washington erstreckte sich vom Weißen Haus bis zum Capitol. „Kein Hass, keine Furcht“, forderten die Kundgebungsteilnehmer. Zahlreiche Plakate zitierten Bibelsprüche über Flüchtlinge. Kirchliche Organisationen und Hilfsverbände sprachen sich nahezu einmütig gegen Trumps Erlass aus.
Durch Flüchtlingshilfe lebten Christen ihren Glauben, erklärte Bischof Joe Vásquez, der Vorsitzende des Migrationsausschusses der römisch-katholischen Bischöfe. Der Präsident des „Nationalen Verbandes der Evangelikalen“, Leith Anderson, appellierte an Trump, Flüchtlingsprogramme nicht zu stoppen. Die meisten Flüchtlinge in den USA aus dem Nahen Osten seien Frauen und Kinder, die Bürgerkriegen und der Terrororganisation „Islamischer Staat“ entkommen seien. Die vorstehende Bischöfin der Evangelischen Lutherischen Kirche in Amerika, Elizabeth Eaton, äußerte, sie habe die Regierung aufgefordert, Flüchtlingsprogramme weiterzuführen. Die Bibel gebiete, dass man Fremde willkommen heiße.
Der Erlass sei „widerwärtig und abscheulich“, sagte der Präsident des jüdischen Hilfsverbandes HIAS, Mark Hetfield. Mehr als 1700 Rabbiner forderten von Trump, „Amerikas Türen offenzuhalten“. In Erinnerung an Einreisebeschränkungen in den 1930er Jahren klagten die Rabbiner, schon einmal habe „Fremdenfeindlichkeit die Kapazität unserer Nation für Mitleid überwältigt“. Der internationale Generalsekretär von Amnesty International, Salil Shetty, erklärte, die „schlimmsten Befürchtungen über Trump“ hätten sich bereits bestätigt. Mit einem Federstrich habe Trump seine hasserfüllte fremdenfeindliche Wahlpropaganda umgewandelt in einen Erlass, der Menschen wegen ihrer Religion ausgrenze.

Kritik auch aus den Reihen der US-Politik

Auch Mitglieder der Partei der Republikaner äußerten sich kritisch zu Trumps Entscheidung. Der Erlass diene dem „Islamischen Staat“ (IS) als Propaganda, warnte der republikanische Senator John McCain in einer Talkshow. Der Fraktionschef der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, kündigte einen Gesetzentwurf an, um den Erlass rückgängig zu machen.
Bundesrichterin Ann Donnelly in New York ordnete an, dass Menschen, die nach dem Erlass Trumps trotz gültiger Visa bei der Einreise auf US-Flughäfen festgenommen worden waren, vorläufig nicht in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden dürften. Diesen Menschen drohe ansonsten „nicht wieder gutzumachender Schaden“. Donnelly schrieb in ihrem Urteil, die Reisenden hätten „sehr gute Chancen“ mit ihrer Klage, das Einreiseverbot sei verfassungswidrig. Unterdessen entließ US-Präsident Trump die geschäftsführende Justizministerin Sally Yates. Sie habe „das Justizministerium verraten“ mit ihrer Weigerung, eine gesetzmäßige Anordnung durchzusetzen, teilte das Pressebüro des Weißen Hauses in Washington mit. Yates hatte Anwälte ihres Ministeriums angewiesen, Trumps Einreiseerlass nicht zu verteidigen bei möglichen Gerichtsverfahren.

Es besteht Klärungsbedarf bei Doppelstaatlern

Auf scharfe Kritik stößt das Einreiseverbot auch bei der Bundesregierung. „Der notwendige und auch entschiedene Kampf gegen den Terrorismus rechtfertigt in keiner Weise einen Generalverdacht gegen Menschen bestimmten Glaubens, in diesem Fall Menschen muslimischen Glaubens, oder einer bestimmten Herkunft“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin. Das Vorgehen widerspreche dem Grundgedanken der internationalen Flüchtlingshilfe und internationalen Kooperation, sagte die Kanzlerin. Bundeskanzleramt und Auswärtiges Amt würden alles daran setzen, insbesondere für die betroffenen Doppelstaatler die rechtliche Lage zu klären und deren Interesse mit Nachdruck zu vertreten, sagte Merkel. Über das Thema sei man auch mit den europäischen Partnern im engen Gespräch, fügte die Regierungschefin hinzu. epd/UK