Der Bremer Landesbehindertenbeauftragte Arne Frankenstein fordert von der Bremer Bürgerschaft, die Kosten für eine Assistenz für Abgeordnete mit einer Behinderung zu übernehmen. Er erwarte, „dass alle Leistungen, die behinderungsbedingt anfallen, für Abgeordnete bedarfsgerecht erbracht werden“, sagte Frankenstein am Mittwoch dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dazu sollte das bremische Abgeordnetenrecht entsprechend ergänzt werden.
Hintergrund ist eine Entscheidung des Landessozialgerichtes Niedersachsen-Bremen vom 3. Januar, wonach Abgeordnete keinen Rechtsanspruch auf Arbeitsassistenz haben, weil sie rein rechtlich keiner Arbeit nachgehen. Frankenstein betonte, andere Bundesländer wie Sachsen, Brandenburg, Hessen und Sachsen-Anhalt hätten bereits ähnliche Regelungen in ihre Abgeordnetengesetze aufgenommen.
Geklagt hatte Tim Sültenfuß von den Linken, der im Mai 2023 neu in das Landesparlament eingezogen war. Bis dahin war der Jurist bei Sea-Watch tätig und erhielt als Rollstuhlfahrer von der Bundesagentur für Arbeit eine Arbeitsassistenz. Als er dann Abgeordneter der Bürgerschaft wurde, lehnte die Bundesagentur eine weitere Förderung der Arbeitsassistenz ab. Die Tätigkeit sei weder ein sozialversicherungspflichtiges
Beschäftigungsverhältnis noch eine selbstständige Tätigkeit und damit auch kein „Arbeitsplatz“ im Rechtssinne. Das Gericht gab der Bundesagentur recht und regte an, die mögliche Finanzierung einer Arbeitsassistenz parlaments- oder abgeordnetenrechtlich zu regeln. (AZ: L 11 AL 67/23 B ER)
Sültenfuß zeigte sich zuversichtlich, dass die Bremische Bürgerschaft schnell eine Lösung finden werde. Er habe das Urteil erwartet und gehe davon aus, dass seine Assistenz künftig nach Ergänzung des Abgeordnetengesetzes aus dem Budget der Bürgerschaft bezahlt werde, sagte er dem epd. In der Zwischenzeit lege sein Dienstleister das Geld aus. Er müsse also aktuell nicht auf die Unterstützung verzichten.
Der niedersächsische SPD-Abgeordnete Constantin Grosch äußerte hingegen Befremden über das Urteil des Landessozialgerichts. Er halte es für dringend geboten, dass das Bundesverfassungsgericht diese Frage ein für alle Mal kläre, sagte Grosch dem epd. Ansonsten bleibe es den jeweiligen Mehrheiten in den Landesparlamenten überlassen, Sonderregelungen in das Abgeordnetengesetz hineinzuschreiben oder eben nicht. Auch Grosch ist Rollstuhlfahrer und auf Assistenz angewiesen.
In Niedersachsen gebe es keine entsprechende Regelung im Abgeordnetengesetz. Er finanziere seine Assistenz derzeit über die Eingliederungshilfe, sagte Grosch. Einen gewissen Anteil müsse er allerdings selbst zahlen, weil sein Einkommen und Vermögen angerechnet würden. Der SPD-Politiker fordert, „diese Einkommens- und Vermögensanrechnung für existenzielle Unterstützung behinderter Menschen muss endlich fallen“.