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Antisemitismusbeauftragter lehnt Bundesverdienstkreuz ab

Als die IS-Terroristen im Irak einen Genozid an Jesiden verübten, war Michael Blume an der Rettung vieler Menschenleben beteiligt. Doch das Bundesverdienstkreuz lehnt er ab. Deutschland müsse Jesiden besser schützen.

Es waren schreckliche Nachrichten, die vor mehr als zehn Jahren die Welt aufrüttelten: Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) überfielen jesidische Dörfer in der Region des Sindschar-Gebirges im Nordirak. Die Islamisten töteten mehrere tausend jesidische Männer, vergewaltigten und versklavten Frauen und verschleppten Kinder.

2023 erkannte der Deutsche Bundestag die ab 2014 verübten Verbrechen des IS an den Jesidinnen und Jesiden als Völkermord an. Doch bisher gebe es keinen dauerhaften bundesweiten Abschiebestopp für nach Deutschland geflüchtete Jesidinnen und Jesiden, kritisierte der Antisemitismusbeauftragte der baden-württembergischen Landesregierung, Michael Blume, am Dienstag in Stuttgart. Und nicht nur das: Blume hat nach eigenen Worten die Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz abgelehnt – aus Protest gegen die Jesiden-Politik Deutschlands.

Der Bundestag setze “den anerkannten Genozid nicht in Recht um”, monierte Blume, der seit 2018 Antisemitismusbeauftragter ist. Er hatte 2014/2015 als Mitarbeiter der Landesregierung eine maßgebliche Rolle dabei gespielt, dass zahlreiche Jesiden im Nordirak vor dem Genozid gerettet wurden. Rund 1.000 jesidische Frauen und Kinder wurden schließlich in Baden-Württemberg aufgenommen.

Der Psychologe und Migrationsexperte Jan Ilhan Kizilhan – der ebenfalls an der Rettungsaktion mitwirkte und traumatisierte Jesidinnen begleitet – hatte 2024 das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten.

Blume sagte, er halte die Auszeichnung für Kizilhan für völlig gerechtfertigt. Er selbst habe aber dem Bundespräsidialamt mitgeteilt, dass er mehrere Vorschläge, das Bundesverdienstkreuz zu erhalten, abgelehnt habe. “Solange der Bundestag den Genozid an den Jesiden zwar anerkennt, aber nicht in der Lage ist, die Jesidinnen und Jesiden in unserem Land zu schützen, möchte ich diesen Preis nicht”, sagte der 48-jährige Religions- und Politikwissenschaftler. Er sei von der Bundespolitik enttäuscht, die “unmoralisch und unglaubwürdig” handele. Blume äußerte sich bei einer Tagung der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart zum Thema “Jesidentum in Deutschland”.

Die monotheistische, ethnisch-religiöse Gemeinschaft der Jesiden – die ursprünglich im Norden Iraks und Syriens sowie im Südosten der Türkei siedelte – zählt heute weltweit rund eine Million Angehörige. Viele von ihnen flüchteten im Zuge des Genozids – auch nach Deutschland. Hier leben in der weltweit größten Diasporagemeinschaft rund 200.000 Jesidinnen und Jesiden.

Auch Kizilhan wirft Deutschland vor, Jesiden und Jesidinnen trotz Lebensgefahr in den Irak abzuschieben. “Auch ich kämpfe mit aller Macht dagegen, dass Jesiden abgeschoben werden”, sagte er. Es sei zugleich anzuerkennen, dass Deutschland neun Jahre nach den IS-Untaten und damit “relativ früh” den Genozid anerkannt habe. Kizilhan leitet in Dohuk in der Autonomen Region Kurdistan im Irak ein Hochschulinstitut für Psychologie und begleitet traumatisierte Jesiden. Zugleich arbeitet er an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg.

Der Geschäftsführende Vorstand der Stiftung für Entwicklungs-Zusammenarbeit Baden-Württemberg (SEZ), Philipp Keil, wies bei der Tagung in Stuttgart-Hohenheim darauf hin, dass das Land Baden-Württemberg bei der Rettung von Jesiden vor dem Genozid im Nordirak “eine Vorreiterrolle” gespielt habe. Dies sei unter der Regierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und “unter Anleitung” des heutigen Antisemitismusbeauftragten Michael Blume geschehen. Diese Aktion sei “ein Leuchtturm für Humanität und Menschlichkeit” gewesen.

Unter den traumatisierten Frauen und Mädchen dieses “Landessonderkontingents” war auch Nadia Murad, die als Menschenrechtsaktivistin und UN-Sonderbotschafterin 2018 den Friedensnobelpreis erhielt. Allerdings, so Keil: Das Schicksal von schätzungsweise 2.700 jesidischen Frauen und Mädchen, die sich noch in den Händen des IS befänden, bleibe ungewiss.