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“Wir müssen Asylrecht und Menschenrechte wahren”

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel, dringt auf die Einhaltung von Asylrecht und Menschenrechten beim Umgang mit Flüchtlingen. Die von der EU geplanten Zentren an den Außengrenzen für Asyl-Schnellverfahren müssten Menschen Schutz bieten, sagte der leitende Theologe dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Düsseldorf. „Eine haftähnliche Unterbringung, die nicht einmal bei Familien mit Kindern Ausnahmen macht, widerspricht allen unseren humanitären und menschenrechtlichen Vorstellungen.“

epd: Nach der geplanten EU-Reform des gemeinsamen Asylsystems sollen Asylbewerber mit geringer Bleibechance künftig direkt an der EU-Außengrenze Schnellverfahren zur Asylvorprüfung durchlaufen. Wie bewerten Sie dieses Vorhaben?

Thorsten Latzel: Es ist notwendig, dass alle Menschen, die einen Anspruch auf Asyl haben, auch wirklich ein faires Verfahren bekommen können. Das ist dann nicht mehr gewährleistet. Mehr noch: Eine haftähnliche Unterbringung, die nicht einmal bei Familien mit Kindern Ausnahmen macht, widerspricht allen unseren humanitären und menschenrechtlichen Vorstellungen.

Es wäre gut, wenn Menschen sich nicht auf die gefährliche Route über das Mittelmeer machen müssen, wo sie ihr Leben aufs Spiel setzen, um in so ein Verfahren zu kommen. Aber es muss gewährleistet sein, dass diese Stellen Menschen Schutz bieten und sie ihren Rechtsanspruch einlösen können. Wir dürfen auch unsere Probleme nicht einfach auslagern und dann nicht mehr auf die Menschenrechtsstandards in anderen Ländern achten.

epd: Wie blicken Sie insgesamt auf den Umgang mit dem Thema Flüchtlinge in Europa?

Latzel: Es ist wichtig, dass wir in dieser Diskussion an die Menschenrechtslage, an die Genfer Flüchtlingskonvention und an die eigenen Standards erinnern, die wir uns als EU gegeben haben. Menschen, die Anspruch auf Asyl haben, muss dieser auch gewährt werden. Aber nicht alle Menschen auf der Flucht haben diesen Anspruch.

Trotzdem müssen wir menschlich mit ihnen umgehen. Wir dürfen niemanden im Mittelmeer sterben lassen. Das ist ein grundsätzliches Gebot der Nächsten- und Menschenliebe. Für uns als Kirche ist es elementar, immer den Menschen zu sehen und nicht einfach zu sagen: Das ist ein Flüchtling. Es geht zunächst um einen Menschen mit Würde und Rechten. Wir müssen sorgsam darauf achten, dass wir bei uns Asylrecht und Menschenrechte wahren, dass wir sichere Zugangswege dazu schaffen. Das heißt nicht, dass wir in Deutschland und Europa alle Menschen dauerhaft aufnehmen. Das könnten wir auch nicht leisten.

epd: Aus Kirchenkreisen der rheinischen Kirche heißt es, die Zahl der Kirchenasyle habe zugenommen. Funktioniert das System noch?

Latzel: In Absprache mit den Ländern und dem Bund haben wir eine Abschiebungsbeobachtung eingerichtet. Wir schauen darauf, dass wir die eigenen Standards einhalten. Ein Kirchenasyl dient dazu, dass wir die Rechtsstandards einhalten, nicht, dass wir Sonderrecht setzen. Es geht darum, Einzelfallprüfungen zu ermöglichen.

Wir leben in einer Gesellschaft, in der es nicht den Einzelnen und den Staat gibt, sondern eine starke Zivilgesellschaft. Das ist eine Erfahrung aus totalitären Zeiten. Und deswegen ist es auch gut, solche Korrektive bei uns im Land zu haben. Wir als Kirche haben nicht einfach die politischen Lösungen, die müssen in der Politik gefunden werden. Wir achten darauf, dass die ethische Orientierung stimmt und dass wir uns an unsere eigene Rechtsstaatlichkeit halten.