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Vor fünf Jahren rollte Corona über die Weltbevölkerung hinweg

Es war wie ein Schneeball. Es begann mit wenigen Fällen in China, binnen Tagen waren es Tausende weltweit. Die Corona-Pandemie versetzte die Welt in einen Ausnahmezustand. Vor fünf Jahren ging Deutschland in den Lockdown.

Sieben Millionen Tote. Das entspricht etwa der doppelten Einwohnerzahl Berlins. Davon 187.277 Covid-Todesfälle in Deutschland bei bis heute 39 Millionen bestätigten Fällen. Die Corona-Pandemie hat binnen fünf Jahren unzählige Opfer gefordert. Es war eine extreme Situation in der modernen Welt – überfüllte Intensivstationen, Kontaktverbote, Ausgangssperren, großangelegte Impfkampagnen, Arbeit und Bildung vor dem Bildschirm. Für die Mehrheit der Bevölkerung ist Corona kein Thema mehr. Aber es gibt immer mehr Rufe nach einer umfassenden Aufarbeitung – von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier über Patientenschützer bis zu Ärzten.

Am 13. Februar 2020 schrieb das zuständige Robert-Koch-Institut auf seiner Internetseite: “Am 28. Januar 2020 wurde ein erster Fall mit dem neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 in Deutschland laborbestätigt”. Etwa zwei Wochen später waren es 16 Fälle, die auf Kontakte einer Starnberger Firma zu einem Unternehmen im chinesischen Wuhan zurückzuführen waren. Die häufigsten genannten Symptome: Fieber, Schnupfen und Husten, auch Kopfweh und allgemeines Unwohlsein.

Keine vier Wochen später waren es nicht 16, sondern mehr als 1.100 registrierte Infektionen in Deutschland – und zwei Todesfälle. Den ersten weltweiten gemeldeten Todesfall hatte es bereits am 11. Januar in Wuhan gegeben. Die Bundesregierung war alarmiert. Am 16. März wurde der erste Lockdown beschlossen, am 22. trat er in Kraft. Gastronomie, Friseure und Kosmetiker mussten schließen, Kontaktbegrenzungen und Quarantäneregel galten bundesweit. Die Pandemie hatte Deutschland im Griff.

Er habe bei den ersten Meldungen über “ungeklärte schwere Lungenerkrankungen in China” im Dezember 2019 über die Möglichkeit einer weiteren Ausbreitung nachgedacht, erinnert sich der ehemalige Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Sars-Cov-1 Epidemie, die ebenfalls aus China kam, lag 17 Jahre zurück und war damals durch Quarantäne-Maßnahmen eingedämmt worden. “Aber damals waren eben nur erkennbar Kranke die Überträger”, erklärt Mertens.

Etwa im März 2020 sei klar gewesen, dass die Corona-Ausbreitung fortschreite. “Wir haben zunächst versucht, alle Daten zur Erkrankung und Ausbreitung des dann neu entdeckten Virus zu erfassen.” Dazu gehörten etwa Fragen zu Übertragungswegen und -dauer, mögliche Risikofaktoren oder der Labornachweis der Virusinfektion.

“Ich kann mich gut erinnern, dass ich selbst meine Geburtstagsfeier im März aus epidemiologischen Überlegungen abgesagt habe”, so Mertens weiter. Es folgten mehr als zwei Jahre mit intensiver ständiger Aufarbeitung aller neuen wissenschaftlichen Daten. Es gab wöchentliche Diskussionen und dem aktuellsten Wissensstand angepassten Empfehlungen, bis hin zur wichtigen Frage der Priorisierung bei künftiger Impfung gemeinsam mit dem Deutschen Ethikrat und der Nationalen Wissenschaftsakademie Leopoldina.

“Die Wucht der rasanten weltweiten Ausbreitung des Coronavirus hat wohl alle überrascht”, sagt der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, im Rückblick. Die Herausforderungen seien gewaltig gewesen und bisher einmalig. “Es musste eine schnelle und wohnortnahe Versorgung von Verdachtsfällen und weniger schweren Krankheitsfällen organisiert werden.

Gleichzeitig galt es, die Krankenhäuser vor Überlastung zu schützen”, so Gassen weiter im Gespräch mit der KNA. Es sei daher wichtiger denn je, Lehren aus der Pandemie zu ziehen – welche Maßnahmen richtig gewesen seien, welche nutzlos oder sogar eher schädlich. Am Sonntag forderte er in der Funke Mediengruppe erneut eine umfassende Aufarbeitung: “Wir brauchen diese Erkenntnisse, um für die nächste Pandemie gewappnet zu sein, die – und das ist leider nur eine Frage der Zeit – kommen wird.”

Für die Präsidentin des Deutschen Caritasverbands, Eva-Maria Welskopp-Deffaa, war der Ernst der Lage klar, als ihr Bruder, seines Zeichens Intensivmediziner, in Sorge war. Die Folgen der Pandemie sind dabei für sie “politisch und gesellschaftlich viel stärker spürbar, als wir uns das zugestehen möchten”.

Das zeige sich, so erklärte Welskopp-Deffaa im KNA-Gespräch, beispielsweise am Reden über Migration, Grenzen und Nationalstaaten. Durch Corona seien Grenzen als etwas Schützenswertes wiederentdeckt worden, das es zu befestigen gelte; etwas, mit dem man Böses außen vor halten kann.

Auf der anderen Seite habe die Pandemie sicher dazu beigetragen, neu über Beziehungen und gegenseitige Verantwortlichkeiten zwischen den Generationen nachzudenken. Bei Fragen der Aufarbeitung ist Welskopp-Deffaa eher zurückhaltend. “Ich glaube, es bringt uns nicht weiter, wenn wir uns nur gegenseitig Fehler vorwerfen. Wenn wir eine solche Debatte befeuern, können wir sicher sein, dass in der nächsten Krise mehr Versagen entsteht”, warnt sie.