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“Vier Pfoten”-Direktor: Neun von zehn Deutschen für mehr Tierschutz

Die Tierschutz-Stiftung „Vier Pfoten“ feiert in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen in Deutschland. 1988 von Heli Dungler in Wien (Österreich) gegründet, bildete sich 1994 ein Team in Hamburg. Damals wie heute fordern die Tierschützer ein Ende der Pelzproduktion, bei diesem wie auch bei anderen Themen setzen sie auf Kampagnen- sowie Aufklärungsarbeit, wie Volker Gaßner (56), Direktor Deutschland von „Vier Pfoten“, gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) erläutert. In der heutigen Zeit gelte es auch, über den Tierhandel auf Social-Media-Plattformen aufzuklären.

epd: Welches sind die größten Tierschutz-Erfolge, die „Vier Pfoten“ in den zurückliegenden 30 Jahren in Deutschland erzielt hat?

Volker Gaßner: Ein wichtiger und großer Erfolg war im Jahr 2002, dass nach unserer jahrelangen Kampagnenarbeit der Tierschutz in das deutsche Grundgesetz aufgenommen wurde. Unsere Aufklärungskampagne zum Thema Kastenstand in der deutschen Schweinemast hat dazu geführt, dass die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung im Jahr 2020 deutlich im Sinne des Tierschutzes verbessert wurde. Aktuell setzt sich das Team verstärkt dafür ein, wirksame Verbesserungen in die Reform des Tierschutzgesetzes einzubringen – für ein Gesetz, das Tiere auch wirklich schützt. Und wir konnten etlichen Tieren, die zuvor unter unvorstellbaren Bedingungen gehalten wurden, ein Leben in einem artgemäßen Zuhause in unserem „Bärenwald Müritz“ oder der „Tierart Wildtierstation“ schenken. Zum Beispiel Bären, die als Attraktion für Restaurantbesucher in kleinen Stahlkäfigen auf nacktem Beton gehalten wurden.

epd: Wie erreicht „Vier Pfoten“ seine Ziele?

Gaßner: „Vier Pfoten“ setzt auf Kampagnen- sowie Aufklärungsarbeit, um im Sinne unserer Mission „Erkennen. Retten. Beschützen.“ die Öffentlichkeit über Missstände zu informieren und Lösungen aufzuzeigen, die echte Verbesserungen für die Tiere bewirken. Das beinhaltet auch den direkten Dialog und manchmal auch Streit mit Politiker:innen. Einen starken Beitrag für eine erfolgreiche Kampagnenarbeit leisten auch unsere Spender:innen und Ehrenamtlichen.

epd: Was sind die größten Hürden bei der Durchsetzung von Tierschutzzielen?

Gaßner: Es wäre wichtig, dass unsere Politiker:innen die Gefahren und Missstände unserer Heim- und Wildtiere besser im Blick behalten. Keine leichte Aufgabe, wenn wir die weltweiten Krisen sehen. Hier liegt die Aufgabe von Organisationen wie „Vier Pfoten“, die Politik immer wieder an die Notwendigkeit zu erinnern, unsere Tiere besser und nachhaltiger zu schützen – etwa in der Landwirtschaft, wo wir die ganzjährige Anbindung von Kühen und viele Missstände in der Massentierhaltung beklagen. Zurzeit wird ein Entwurf für ein neues Tierschutzgesetz diskutiert. Wenn die Politiker:innen unsere Tiere wirklich besser schützen wollen, dann können sie viele Gefährdungen durch ein wirksames Gesetz ausschließen. Sie müssen sich nur trauen und dieses Gesetz auch gegen die Interessen von Lobbyisten verteidigen und verabschieden.

epd: Wie hat sich das Tierschutzbewusstsein der Menschen in Deutschland während der vergangenen drei Jahrzehnte verändert?

Gaßner: Insgesamt lässt sich feststellen, dass sich das Bewusstsein für mehr Tierwohl in den letzten drei Jahrzehnten sensibilisiert hat. Laut einer Umfrage der EU-Kommission wünschen sich neun von zehn Deutschen mehr Tierschutz.

epd: Wie hat sich „Vier Pfoten“ in Deutschland in den 30 Jahren personell, strukturell und aufgabentechnisch verändert?

Gaßner: „Vier Pfoten Deutschland“ ist mit gerade einmal sechs Personen gestartet. Heute sind wir eine starke Tierschutz-Organisation mit mehr als 200 Mitarbeitenden und mehr als 2.000 Ehrenamtlichen. Neben unserem Büro in Hamburg betreiben wir ein Büro im Berliner Regierungsbezirk sowie die Schutzzentren „Bärenwald Müritz“ und die „Tierart Wildtierstation“ in der Pfalz.

epd: Für welche Tierschutzziele setzte sich „Vier Pfoten“ zu seinem Start in Deutschland ein und was sind aktuelle Aufgabenschwerpunkte?

Gaßner: Eins der ersten Ziele, die „Vier Pfoten“-Gründer Heli Dungler verfolgte, war ein Ende der Pelzproduktion. Auch heute müssen noch Millionen Tiere für die Pelzindustrie sterben, etwa bei unseren Nachbarn in Dänemark oder Polen. Auch, dass Wildtiere im Zirkus leiden, ist ein Missstand, den „Vier Pfoten“ schon lange thematisiert. Viele EU-Länder haben hier bereits ein Verbot verhängt, Deutschland hinkt allerdings hinterher. Und auch das Thema der grausamen Tiertransporte ist leider nach wie vor aktuell.

Momentan arbeiten wir verstärkt daran, dass das erneuerte Tierschutzgesetz seinen Namen auch verdient. Dafür sind wir mit der Politik im Gespräch und bieten unsere Expertise an.

epd: Wie sieht die Zukunft Ihrer Tierschutzarbeit aus – wo gibt es noch immer viel zu tun bzw. welche neuen Probleme und damit Aufgaben ergeben sich?

Gaßner: Ob Haltungsformen von Tieren in der Landwirtschaft, der illegale Welpenhandel oder Tiere in Zirkussen: an zu vielen Orten leiden Tiere. So werden zum Beispiel vermehrt Heimtiere und exotische Tiere über Social-Media-Plattformen angeboten und verkauft. Sie werden selten artgerecht gehalten, kommen aus Qualzuchten und sind ihr ganzes Leben lang krank. Die Käufer wiederum kennen sich ebenfalls kaum mit artgerechter Haltung aus und sind somit überfordert. Hier müssen wir noch stärker als bisher Aufklärung betreiben. Tierschutz hört nicht an den Grenzen Deutschlands auf, weshalb wir uns als international agierende Tierschutzorganisation weiterhin weltweit für eine Verbesserung der Lebensbedingungen von Tieren unter direktem menschlichem Einfluss einsetzen. Auch in den nächsten 30 Jahren kämpfen wir für eine Welt, in der Menschen Tieren mit Respekt, Mitgefühl und Verständnis begegnen.