Sie sind Ärztinnen, Steuerfachleute oder Anwälte, aber in den Jobcentern bekommen sie Arbeit als Putzkraft oder in der Gastronomie angeboten. „57 Prozent der ukrainischen Erwachsenen im Erwerbsalter haben einen Hochschulabschluss, aber diese Abschlüsse werden nicht anerkannt“, sagte der Generalkonsul der Ukraine in Frankfurt am Main, Vadym Kostiuk, dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Das ist schade, damit liegt dieses Kapital an Wissen brach“, fügte er hinzu.
Vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 war das Generalkonsulat in Frankfurt zuständig für 15.000 ukrainische Staatsangehörige, die in Deutschland leben. Aktuell sind es nach Angaben Kostiuks 206.000 in Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland, dem Zuständigkeitsbereich des Generalkonsulats. In Deutschland insgesamt leben demnach 1,1 Millionen ukrainische Kriegsflüchtlinge.
In den ersten Monaten nach Kriegsbeginn habe das Generalkonsulat an sieben Tagen in der Woche von morgens 7.30 Uhr bis abends 23 Uhr gearbeitet, um den ankommenden Menschen Dokumente ausstellen und Fragen beantworten zu können, berichtete Kostiuk. Dabei hätten viele Freiwillige geholfen, auch beim Dolmetschen bei Behördengängen.
Weniger als zehn Prozent der geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer in seinem Tätigkeitsbereich hätten derzeit einen ständigen vollen Arbeitsplatz, sagte Kostiuk. Er fügte hinzu: „Die Leute wollen arbeiten. Sie sagen uns, gebt uns einen Job, damit wir nicht an den Krieg denken.“
Gut funktioniert habe eine entsprechende Initiative in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Kultusministerium. Über ein zeitnah eingerichtetes Portal für ukrainische Lehrkräfte hätten Schulämter nach Personal für Intensiv- und Integrationsklassen suchen können. Das habe zu rund 300 Vermittlungen geführt, sagte der Generalkonsul.
Bemühungen um eine ähnliche Plattform für Pflegekräfte und Ärzte in Zusammenarbeit mit dem Sozialministerium seien „versandet“. Das sei schade, weil Pflegekräfte überall gesucht werden. Leider würden die Ausbildungen nicht anerkannt und bislang fehlten auch Kurse, mit denen Abhilfe geschaffen werden könnte.
Die Kinder aus der Ukraine besuchten deutsche Schulen. Die meisten hätten so gut Deutsch gelernt, dass sie inzwischen dem Regelunterricht folgten, sagte Kostiuk.
Zu Beginn des Krieges vor zwei Jahren seien private Hilfsinitiativen sehr stark gewesen, erinnerte sich Kostiuk. Inzwischen starteten allerdings aus dem Raum Frankfurt nicht mehr wöchentlich Dutzende, sondern noch zwei bis drei mit Hilfsgütern beladene Lkw. Dafür helfe mittlerweile der deutsche Staat intensiver. Dennoch, fügte er hinzu: „Der Bedarf an Hilfsgütern ist groß.“ Dosen mit Lebensmitteln würden ebenso gebraucht wie Kleidung, Krücken oder Feuerwehrfahrzeuge.
Schwierig findet Kostiuk, dass „viele Menschen in Deutschland glauben, dass der Krieg sie nicht betrifft: Sie leben in einer Blase.“ Der Krieg sei nur zwei Flugstunden von Deutschland entfernt. Dort verteidige die Ukraine nicht nur ihr Territorium, sondern auch die westlichen Werte. „Wir verhindern, dass Russland weiter in den Westen expandiert“, sagte Kostiuk. Er hoffe, dass dieser Einsatz in Deutschland ausreichend gewürdigt werde.