Das Wohnen in Deutschland macht Millionen Menschen arm. Laut Paritätischer Forschungsstelle macht die Berücksichtigung von Wohnkosten „ein bislang unsichtbares Ausmaß“ an Armut sichtbar, wie der Paritätische Gesamtverband mitteilte. Demnach waren im vergangenen Jahr nicht 12,1 Millionen Menschen, wie in konventionellen Statistiken, sondern tatsächlich 17,5 Millionen Menschen von Armut betroffen. Basierend auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes seien die Einkommen um die Wohnkosten bereinigt worden.
Die Wohnarmut wurde anhand des Einkommens ermittelt, das tatsächlich monatlich verfügbar ist. So seien vor der Berechnung der Armutsquote alle Wohnkosten vom Einkommen abgezogen worden. Laut Kurzexpertise der Forschungsstelle liegt die wohnkostenbereinigte Armutsquote bundesweit bei 21,2 Prozent und nicht wie konventionell berechnet bei 14,4 Prozent.
Im Ländervergleich sei die Wohnarmut in Bremen (29,3 Prozent), Sachsen-Anhalt (28,6 Prozent) und Hamburg (26,8 Prozent) am stärksten verbreitet. Damit liegt die wohnungskostenbereinigte Armutsquote in Hamburg gut zehn Prozentpunkte über der konventionellen Armutsquote von 15 Prozent. Dagegen seien in Baden-Württemberg (18,5 Prozent) und Bayern (16,3 Prozent) vergleichsweise weniger Menschen von Wohnarmut betroffen.
„Die Studie offenbart eine schockierende Realität: Berücksichtigt man die explodierenden Wohnkosten, ist die Armut in Hamburg deutlich größer als bisher angenommen“, sagte Kristin Alheit, Vorständin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Hamburg. Besonders Rentnerinnen und Rentner, junge Erwachsene, Erwerbslose, Singles und Alleinerziehende würden durch ungebremst steigende Mieten in die Armutsfalle gedrängt. Alheit: „Wohnen ist längst nicht mehr nur eine Belastung – es hat sich zu einem zentralen Treiber von sozialer Ungerechtigkeit und Armut entwickelt.“
Die Wohnungsknappheit verstärke besonders in Großstädten das Ansteigen der Mieten, so dass es auch mit durchschnittlichen bis guten Einkommen immer schwieriger werde, die Miete zu bezahlen, so der Verband. Die steigenden Mieten belasteten vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen überproportional. Viele Haushalte würden inzwischen mehr als ein Drittel ihres Einkommens für Wohnkosten ausgeben – manche mehr als die Hälfte.
Bundesweit besonders armutsbetroffen seien Erwerbslose, die wohnkostenbereinigte Armutsquote liege bei ihnen bei 61,3 Prozent. Bei Alleinlebenden betrage die wohnkostenbereinigte Armutsquote 37,6 Prozent, bei Alleinerziehenden 36 Prozent und bei jungen Erwachsenen 31 Prozent – auch diese Gruppen seien somit besonders armutsbetroffen.
Der Wohlfahrtsverband fordert die künftige Bundesregierung auf, neue, dauerhaft sozial gebundene Wohnungen zu schaffen. Eine zielgerichtete Politik zur Vermeidung von Armut in Deutschland brauche „gute Löhne, bessere soziale Absicherung und eine Wohnungspolitik, die Mieten bezahlbar hält“, hieß es.