Artikel teilen:

Sechs deutsche Kardinäle – bei der Papstwahl wohl chancenlos

Nach einer Hoch-Zeit im 19. und 20. Jahrhundert ist die Zahl der Papstwähler aus Deutschland derzeit deutlich rückläufig. Von den noch sechs deutschen Kardinälen sind drei bereits über 90 Jahre alt.

Konklave? Natürlich denken da viele an den berühmten “Bild”-Titel vom 20. April 2005: “Wir sind Papst!”. Und selbst wer wenig mit katholischer Kirche am Hut hat, fragt unwillkürlich: Gibt’s diesmal wieder einen Deutschen?

Die Antwort ist: wohl kaum! Denn der Wind in Weltkirche und Vatikan steht schon seit einiger Zeit nicht mehr gerade deutsch. Nach einer echten Hoch-Zeit im 19. und 20. Jahrhundert ist die Zahl der deutschen Papstwähler zuletzt stark rückläufig. Einer der Gründe dafür: der Niedergang der wissenschaftlichen deutschen Theologie, die über Jahrhunderte dominierte.

Derzeit gehören dem Kardinalskollegium nur noch sechs Deutsche an: Walter Brandmüller (96), Walter Kasper (92), Reinhard Marx (71), Gerhard Ludwig Müller (77), Friedrich Wetter (97) und Rainer Maria Woelki (68). Von ihnen sind aber bei der Papstwahl nur die drei unter 80-Jährigen stimmberechtigt: Marx, Müller und Woelki.

Der einzige Deutsche, den der verstorbene Franziskus in zwölf Jahren in seinen Senat berief, war 2014 Gerhard Ludwig Müller, den Benedikt XVI. noch 2012 zum Präfekten der Glaubenskongregation gemacht hatte. Doch der wirbelwillige Dribbler Franziskus und der Rechtsverteidiger Müller waren kein Dream-Team. 2017 verlängerte der Papst dem Präfekten nicht die fünfjährige Amtszeit.

So blieb Müller genügend Zeit, Interviews und theologische Gastbeiträge zu platzieren, die ihm das Label eines “Franziskus-Kritikers” eintrugen. So stand er auch nach dem Tod des Papstes nicht an, öffentlich den Abschluss einer Episode in der Geschichte auszurufen

Für die Wahl des neuen Papstes könnte das den 77-Jährigen höchstens für das Spektrum der theologischen “Konservativen” interessant machen. Das könnten zum Beispiel die Nordamerikaner sein und Teile der vatikanischen Kurie. Eine Zweidrittelmehrheit sieht aber aller Wahrscheinlichkeit nach anders aus.

Da die drei über 92- bis 97-jährigen Kardinäle als Papstkandidaten nicht mehr in Frage kommen, blieben noch die Erzbischöfe von München und Köln, Marx und Woelki. Allerdings: Durch innerkirchliche Skandale sind quasi alle Bischofskonferenzen in Europa und Lateinamerika sowie viele ihrer Protagonisten angreifbar geworden; das Selbstbewusstsein hat deutlich gelitten. Das gilt auch für Deutschland und seine beiden aktiven Kardinal-Erzbischöfe. Ihre Karrieren weisen deutliche Dellen auf.

Und noch ein Punkt: Papst Franziskus hat in den vergangenen zwölf Jahren viele unbekannte Bischöfe der Weltkirche, eher Randständige ohne eigene Hausmacht und/oder aus kleinen Ländern, zu Kardinälen ernannt und traditionell wichtige Bischofssitze ausgelassen: Venedig, Mailand, Paris, Lissabon, Dublin; auch Berlin oder Wien. Nationales und weltkirchliches Netzwerken ist also derzeit schwierig geworden. Gerade im deutschsprachigen Raum – der Wiener Christoph Schönborn (80) als Drehscheibe nach Mittel- und Osteuropa hat soeben die Altersgrenze erreicht – fehlt es zurzeit allein schon an einer kritischen Masse an Wählern.

Wien, Köln und München sind traditionell “sichere” deutschsprachige Kardinalssitze; Berlin und Mainz gingen zuletzt leer aus. Das Diaspora-Bistum Berlin verdankte seine kirchenpolitische Bedeutung nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem der weltpolitischen Lage im Ost-West-Konflikt. Für Mainz gab die Persönlichkeit des jeweiligen Amtsträgers den Ausschlag, Hermann Volk (Bischof 1962-1982) und Karl Lehmann (1983-2016).

Es gab auch Jahrhunderte ganz ohne deutsche Kardinäle. Im 15. Jahrhundert beendete erst die Berufung von Nikolaus von Kues (1401-1464) und Peter von Schaumberg (1388-1469) eine lange Durststrecke der Entfremdung zwischen Rom und den Deutschen. Zeit, dass sich was dreht.