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Ramadan: Interreligiöser Türöffner

Warum der muslimische Fastenmonat Ramadan die Beziehungen zwischen muslimischen und christlichen Gläubigen stärken kann.

Iftār nennt sich das Mahl, das während des Fastenmonats Ramadan nach Sonnenuntergang gegessen wird
Iftār nennt sich das Mahl, das während des Fastenmonats Ramadan nach Sonnenuntergang gegessen wirdImago / Zoonar

„Eid Mubarak!“ („Gesegnetes Fest!“) – diese Worte sehen oder hören wir von vielen Muslim*innen in Berlin und auf der ganzen Welt zum Ende des Fastenmonats Ramadan. Muslime begehen den heiligen Monat Ramadan mit großer Freude. Einen Monat lang widmen sie sich dem Fasten, dem intensiveren Lesen des Korans und den Gebeten. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang wird weder gegessen noch getrunken. Auf die Zunge, die Gedanken und das Verhalten wird verstärkt geachtet. Im gesamten Fastenmonat geht es um Selbstreflexion, die Kontrolle von menschlichen Bedürfnissen, die Überwindung des eigenen Egos sowie um die Verbreitung von guten Taten und Nächstenliebe.

Auch für mich persönlich steht der Ramadan für eine ganz besondere Zeit. Noch genauer: Es ist für mich eine Segenszeit, in der Gottes Gnade besonders spürbar wird. Ein Monat, in dem ich von weltlichen Bedürfnissen und äußeren Ablenkungen Abstand gewinne. Ein Monat, in dem ich einen Schritt zur Seite gehe und mir die Frage stellen kann: Wo stehe ich gerade in meinem Leben? Wohin möchte ich noch gehen – als junge Frau, als gläubige Muslima, als Suchende?

Ramadan: Dankbarkeit als Essenz

Das Ende des Ramadans löst in mir jedes Jahr zwei Emotionen aus: Einerseits freue ich mich auf das Ramadanfest (Eid al-Fitr), an dem wir das Fastenbrechen mit Familie und Freunden feiern. Andererseits bin ich immer etwas traurig, dass diese Zeit zu Ende geht – denn man gewöhnt sich schnell an den Rhythmus während des Fastens. Durch den bewussten Verzicht auf Essen und Trinken können sich Seele und Körper mehr den spirituellen Wahrheiten widmen.

Die Essenz des Fastens ist somit allgegenwärtig: Dankbarkeit gegenüber der Schöpferkraft Allahs, also Gott, zu zeigen; sich selbst besser zu verstehen und an sich zu arbeiten; Empathie für Menschen zu empfinden, denen es schlechter geht; Mitgefühl und Nächstenliebe wieder aufleben zu lassen; und das Brot im traditionellen Sinne zu teilen und gemeinsam zu speisen.

Daher ist die allgegenwärtige Botschaft des Ramadans eine verlässliche Brücke, die für alle Menschen verständlich ist.

Interkulturelles Fastenbrechen: Christen und Muslime essen gemeinsam

Im interreligiösen Dialog wird der Ramadan herzlich aufgenommen. Liebevolle WhatsApp-Nachrichten und offizielle E-Mails mit Grußworten erreichen mich und meine muslimischen Kolleg*innen. Besonders schön ist es in diesem Jahr, dass die christliche Fasten- und Passionszeit vor Ostern mit dem Ramadan zusammenfällt. So haben wir etwa im Interkulturellen Zentrum Neukölln gemeinsam den Aschermittwoch und das Iftar (Fastenbrechen) gefeiert.

Sobald wir die Rituale und Feierlichkeiten vermeintlich „fremder“ Religionen mit Respekt und Offenheit betrachten, öffnen sich Türen für gemeinsame Begegnungen. Der Ramadan ist ein solcher Türöffner für den interreligiösen Dialog: Menschen aus verschiedenen Kulturen und Religionen, aus unterschiedlichen Vereinen, Institutionen und Weltanschauungen kommen zusammen, um gemeinsam zu speisen und über Themen zu sprechen, die sie bewegen. Ganz im Sinne von: Geteiltes Leid ist halbes Leid, geteilte Freude ist doppelte Freude!

Ramadan für ein besseres Miteinander

Als Engagierte im interreligiösen Dialog blicke ich auf einen Monat zurück, in dem ich mich über zahlreiche Iftar-Einladungen gefreut habe und das gemeinsame Essen, das Teilen unserer Geschichten und das Erleben eines besseren Miteinanders mir in besonderer Erinnerung bleiben werden.

Allen christlichen Leser*innen wünsche ich eine besinnliche Fastenzeit und gesegnete Ostern!

Das Fest des Fastenbrechens (arabisch „Īd al-Fiṭr“) am Ende des Ramadans wird von Musliminnen und Muslimen meist in der Moschee und mit anschließendem Festmahl in den Familien begangen. Es ist ein Fest der Freude und der Begegnung. Die Kinder erhalten Geschenke – von diesen Süßigkeiten leitet sich die in der türkischen Gemeinschaft verbreitete Bezeichnung „Zuckerfest“ her.

Nidanur Güccük ist muslimische Theologin und Projektleiterin am Interkulturellen Zentrum des Evangelischen Kirchenkreises Neukölln.