Du sollt nicht töten. Steht schon in der Bibel. Fünftes Gebot. Und doch wird dagegen in schöner Regelmäßigkeit verstoßen. Vorzugsweise Freitag-, Samstag- oder Sonntagabend. Dann wird es in den Wohnzimmern der Republik mörderisch.
Das alles geschieht manchmal sogar im Auftrag der Evangelischen Kirche. Wie das? Ganz einfach: EIKON ist eine der erfolgreichsten Film-Produktionsgesellschaften in der deutschen Fernseh- und Kinolandschaft. Für zahlreiche Tatort-Folgen, Polizeiruf und die Arte/ZDF-Erfolgsserie Unter Verdacht zeichnen die Filmemacher mit Büros in Köln, Berlin, Stuttgart, Hamburg, Leipzig und München verantwortlich.
Gesellschafter der EIKON sind die Evangelische Kirche in Deutschland und mehrere evangelische Landeskirchen – darunter auch die Evangelische Kirche von Westfalen. Gegründet wurde die EIKON 1960 vom bayerischen Pfarrer Robert Geisendörfer († 1976). Laut dem Internet-Lexikon Wikipedia hat Geisendörfer „das Gesicht der evangelischen Nachkriegspublizistik in Deutschland dauerhaft geprägt. Freiheit und Professionalität sind die wesentlich auf ihn zurückgehenden Grundprinzipien evangelischer Publizistik.“
Der Unterfranke war überzeugt, dass die christliche Botschaft öffentlich ist: „Daher dürfen Kirche und ihre Publizistik kein Nischendasein führen, sondern müssen sich der Themen annehmen, die die Menschen in ihrem Alltag beschäftigen.“ Dazu gehören auch Krimiserien.
Geschichten, die die Menschen bewegen
Dem fühlen sich die Filmemacher von EIKON verpflichtet, wie Produzent Mario Krebs bestätigt: „Geisendörfer hat EIKON vor über 50 Jahren als publizistisches Mittel gegründet, um in die Gesellschaft hineinzuwirken – und zwar über die klassische Verkündigung hinaus. Als Filmemacher beschäftigen wir uns daher mit dem, was unser Leben im eigentlichen Sinn ausmacht und bestimmt. Wir erzählen Geschichten, die die Menschen bewegen.“ Dazu dienen fiktionale Programme ebenso wie Dokumentarfilme – und das mit großem Erfolg. Jüngst etwa ist die Produktion Der große Anfang – 500 Jahre Reformation, die im ZDF ausgestrahlt wurde, mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet worden.
Dafür war auch der Fernsehfilm Katharina Luther nominiert – wohl die bisher ambitionierteste EIKON-Produktion. Auch wenn es mit dem Preis nicht geklappt habe, so sei allein schon die Nominierung zum Deutschen Fernsehpreis eine Anerkennung und Bestätigung gewesen: „Wir haben einmal mehr bewiesen, dass wir es als Filmemacher können“, sagt Krebs.
Das gilt auch für die seit 2002 im ZDF und auf Arte ausgestrahlte Serie Unter Verdacht. Der Kultkrimi mit seinen inzwischen 29 ausgestrahlten Folgen ist bei Zuschauern wie Kritikern beliebt – was mit der Verleihung des Grimme-Preises bestätigt wurde. Krebs: „Unter Verdacht ist zwar eine Krimiserie, aber eine, die tiefer als viele andere Formate des Genres geht. Im Mittelpunkt steht dabei oft nicht die Frage ,Wer war es? – Wer ist der Mörder?‘, sondern es sind häufig moralische und ethische Themen, die wir aufgreifen.“
Korruption, Vorteilsnahme, Konflikte mit mächtigen Menschen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – es sind in der Regel keine leichten Themen, die Senta Berger als unbequeme Kommissarin Eva Maria Prohacek auf der Suche nach der Wahrheit auf den Plan rufen. „Prohacek“, so Krebs, „wird dabei oft mit einem Sumpf konfrontiert, der nicht auszutrocknen ist“. Bisweilen bleibt nach 90 Minuten dann auch nur wie in der 29. Folge mit dem Titel „Verschlusssache“ die nüchterne und desillusionierende Erkenntnis: „Wir müssen uns damit abfinden, wie die Welt ist. Nicht immer gewinnen die Guten.“
Mit fünf Folgen hat der in Soest lebende Drehbuchautor Michael Gantenberg maßgeblich zum Erfolg von Unter Verdacht beigetragen. Die Serie war für ihn gleichzeitig auch „der Einstieg in das ernste Fach“, wie er das selbst beschreibt.
Nachdem er im Jahr 2000 als Mitautor für die RTL-Serie Ritas Welt mit dem Grimme-Preis und dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet worden war und sich zudem als Autor für Atze Schröder, Hape Kerkeling oder Bastian Pastewka einen Namen gemacht hatte, schien er in der Comedy-Schleife gefangen. „Für eine so hochgelobte Reihe wie Unter Verdacht zu schreiben, war damals eine unfassbare Chance für mich. Das ist ein ganz anderer Anspruch an gute Unterhaltung im Fernsehen“, beschreibt er.
Sein „Einstand“ war die Folge „1000 Augen“, die 2009 erstmals ausgestrahlt wurde. Für Produzent Mario Krebs war klar, dass Gantenberg mehr kann als Gags am Fließband zu schreiben: „Michael schaut den Menschen aufs Maul. Zudem recherchiert er ausgezeichnet und hat ein Gespür für Themen, die Menschen bewegen.“
Vom Lustigen zur Krimi-Serie
Manchmal wird der 56-jährige Gantenberg dabei von der Realität überholt. So etwa in der aktuellen Folge „Die Guten und die Bösen“, die am Samstag, 24. Februar, vom ZDF gesendet wird und das Verschwinden von geflüchteten Kindern und Jugendlichen in Europa thematisiert: „Das ist manchmal beängstigend; aber meine Phantasie wird häufig von der Wirklichkeit eingeholt.“
Dass der Soester seine Phantasie nicht mehr für weitere Unter Verdacht-Folgen strapazieren darf, hat einen einfachen Grund: Mit der 30. Folge, für die in Kürze die Dreharbeiten beginnen werden, endet die Krimiserie. Hauptdarstellerin Senta Berger, die im Mai 77 Jahre alt wird, hat Sorge um ihre Glaubwürdigkeit in der Rolle. „Die Prohacek ist eine Beamtin. Und eine Beamtin geht irgendwann in Rente. Ich möchte nicht, dass mir das Publikum vorwirft, dass ich es noch nicht bin.“
Für Gantenberg geht die Zusammenarbeit mit EIKON auch in Zukunft weiter. Aktuell arbeitet er an den Drehbüchern für eine neue Staffel der WDR-Serie Phönixsee, die wieder von Mario Krebs produziert wird.
Mit den EIKON-Produktionen, so der Drehbuchautor, gelinge es der Evangelischen Kirche nachhaltig, sich als wesentlicher Teil der Gesellschaft zeitgemäß zu profilieren: „Hier wird Kirche über ihren normalen Auftrag hinaus präsent und erfahrbar. Wichtige Akzente werden gesetzt. Das tut manchmal weh; ist aber immer wieder notwendig.“