Eine Rückkehr syrischer Flüchtlinge in ihre Heimat hätte spürbare Konsequenzen für die Gesellschaft. Im Gesundheitswesen würde das große Lücken reißen.
Der Katholische Krankenhausverband rechnet mit spürbaren Konsequenzen, wenn syrische Ärzte und Pflegekräfte in großer Zahl in ihr Heimatland zurückkehren. Ärzte aus Syrien stellten die größte Gruppe unter ausländischen Medizinern, sagte Geschäftsführerin Bernadette Rümmelin der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Dienstag in Berlin. “Wenn sie gehen, dann wird das Lücken reißen.” Das deutsche Gesundheitssystem sei auf ausländische Fachkräfte angewiesen. Rümmelin bestätigte damit die Einschätzung des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß.
Laut Statistik der Bundesärztekammer arbeiteten Ende vergangenen Jahres 5.758 syrische Ärztinnen und Ärzte in Deutschland, davon knapp 5.000 im Krankenhaus. Rümmelin betonte, sie könne gut verstehen, wenn Fachkräfte in der Folge des Machtwechsels in Damaskus in ihr Heimatland zurückkehren wollten. Sie könnten sich am Wiederaufbau beteiligen. Zugleich hätten viele der syrischen Fachkräfte im deutschen Gesundheitssystem ihren Platz gefunden und sich eine Existenz aufgebaut. “Ich bin dankbar dafür, dass sie dazu beitragen, die Versorgung bei uns zu sichern.”
Der Religionsbeauftragte der Bundesregierung, Frank Schwabe (SPD), sprach sich im kirchlichen Kölner Internetportal domradio.de dafür aus, dass Deutschland die Syrer beim Wiederaufbau unterstützen sollte – allerdings sollte das Angebot an klare Bedingungen wie religiöse Vielfalt und Schutz von Minderheiten geknüpft werden. “Am Ende geht es auch um die Kurden, die in einer Art Autonomieregion im Nordosten Syriens leben und dort im Grunde unangetastet bleiben wollen.”
Schwabe fügte hinzu, bislang sei Deutschland mit Hilfen für Syrien sehr zurückhaltend gewesen. “Selbst auf Bitten christlicher Gemeinden in Syrien haben wir weder Hilfsgüter geliefert noch Wiederaufbauprojekte oder Entwicklungszusammenarbeit unterstützt. Das war hart”, sagte er. Der SPD-Politiker mahnte zugleich zur Vorsicht. Er verwies auf Afghanistan, wo die Taliban Versprechungen sehr schnell gebrochen hätten.
Der aus Syrien stammende Historiker Kamal Sido warnte vor Abschiebungen syrischer Geflüchteter. Wichtig sei, die Lage im Land zu stabilisieren und Sanktionen aufzuheben. Viele Syrer würden dann von sich aus zurückkehren, sagte der Menschenrechtsexperte der Gesellschaft für bedrohte Völker im Deutschlandfunk.
“Jeder, der kann, sollte zurückgehen”, sagte der 63-Jährige. Die Syrer, die in Europa gelebt hätten, sollten ihre Erfahrungen mit Demokratie und Toleranz in dem neuen System einbringen. Syrische Kaufleute, die in Deutschland gelebt hätten, könnten ein wichtiges Bindeglied zwischen beiden Ländern und Wirtschaften sein. Von der Bundesregierung erwartet der Menschenrechtsexperte “nichts”. Schon unter der Merkel-Regierung habe Deutschland die Islamisten gestärkt und demokratische Kräfte geschwächt.
Pro Asyl sieht Deutschland in der Pflicht, Syrien mit humanitärer Hilfe und bei der rechtlichen Aufarbeitung der Assad-Herrschaft zu unterstützen. “Besonders mit seiner Expertise bei der Aufarbeitung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit kann Deutschland einen entscheidenden Beitrag leisten”, erklärte die Menschenrechtsorganisation in Frankfurt. In Syrien werde es erst Frieden und Stabilität geben, wenn diese Verbrechen aufgearbeitet würden und ein neuer Staat aufgebaut werde.
Die aktuelle Debatte um die Rückkehr von Syrern aus Deutschland und Europa bezeichnete Pro Asyl als zynisch und als Wahlkampf-Instrumentalisierung. Die Debatten lenkten von dringend nötiger humanitärer Hilfe für Syrien ab. “Syrien bleibt ein instabiles Land. Bewaffnete Gruppen kontrollieren weite Teile, und es gibt weder funktionierende staatliche Strukturen noch eine sichere Infrastruktur”, erklärte die Flüchtlingsorganisation. Eine Rückkehr unter diesen Bedingungen sei lebensgefährlich.