Mit dem tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg ist die Migrationspolitik zum Hauptthema im Wahlkampf geworden. Die Union will Gesetze rasch verschärfen. Die Kirchen warnen vor möglichen Folgen – auch in Sachen AfD.
Gut drei Wochen vor der Bundestagswahl warnen die beiden großen Kirchen vor den Vorstößen zur Migrationspolitik von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz. Diese hätten “nach aktuellem Wissensstand keinen der Anschläge verhindert”, heißt es mit Blick auf Aschaffenburg und Magdeburg in einer am Dienstagabend veröffentlichten Stellungnahme. Diese wurde von Prälatin Anne Gidion und Prälat Karl Jüsten unterzeichnet, die die Verbindungsstellen von evangelischer und katholischer Kirche zur Bundespolitik in Berlin leiten.
“Zeitpunkt und Tonlage der aktuell geführten Debatte befremden uns zutiefst”, heißt es in dem Begleitbrief an alle Fraktionen im Bundestag. Die Debatte sei geeignet, “alle in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten zu diffamieren, Vorurteile zu schüren”. Sie trage nicht zur Lösung der tatsächlich bestehenden Fragen bei.
Außerdem warnen die Kirchen davor, entgegen bisheriger Ansagen Abstimmungen herbeizuführen, in der die Stimmen der AfD ausschlaggebend seien: “Wir befürchten, dass die deutsche Demokratie massiven Schaden nimmt, wenn dieses politische Versprechen aufgegeben wird.”
Inhaltlich kritisieren die Vertreter der Kirchen weiter, dass manche Vorschläge ihrer Auffassung nach “rechts- bzw. verfassungswidrig sind oder geeignet erscheinen, die Grundpfeiler der Europäischen Union zu erschüttern”. So verstießen etwa dauerhafte Grenzkontrollen und eine Abweisung von Schutzsuchenden an Deutschlands Grenzen gegen geltendes EU-Recht. Eine dauerhafte Inhaftierung von Ausreisepflichtigen verstoße gegen verfassungsrechtliche Garantien.
In seiner Regierungserklärung am Mittwoch verwies auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf die Kritik der Kirchen und sagte: “Die katholische und evangelische Kirche haben gestern in einem Brandbrief eindringlich vor ihren Vorschlägen gewarnt, Herr Merz!”.
Der katholische Bischof von Speyer, Karl-Heinz Wiesemann, forderte bei seiner Jahrespressekonferenz einen “Zusammenhalt der Demokraten”, um für Menschenwürde und Demokratie aufzustehen. Ohne sich direkt auf den Kirchenbrief zu beziehen, fügte er hinzu: “Die Brandmauer hin zu extremen Positionen darf jetzt nicht fallen – auch nicht, um mit der Unterstützung aus diesem Lager etwas durchzusetzen.” Grundsätze der Humanität dürften nie außer Acht gelassen werden.
CDU-Vize Karin Prien verteidigte die geplanten Verschärfungen. Mit dem für “christlich” stehenden “C” im Parteinamen wolle man nicht zum Ausdruck bringen, “dass wir immer eins zu eins mit den Kirchen einer Meinung sind”, sagte sie im Deutschlandfunk. Politik auf Grundlage eines christlichen Menschenbildes bedeute auch, “dass wir weiter Menschen, die Schutz brauchen und die in Not sind, auch in Deutschland Aufnahme gewähren wollen”. Derzeit funktioniere das Asylsystem jedoch nicht. Daher seien Änderungen notwendig.
Die Union will im Bundestag Verschärfungen in der Migrationspolitik durchsetzen. Offen ist, ob sich hierfür Mehrheiten finden. SPD, Grüne und Linke lehnen die Vorschläge ab, damit wären Stimmen der AfD nötig. FDP und BSW signalisierten Zustimmung zum sogenannten Zustrombegrenzungsgesetz, über das der Bundestag am Freitag entscheiden soll.
In den beiden Anträgen, die am Mittwoch zur Abstimmung gebracht werden sollen, spricht sich die Union für dauerhafte Kontrollen und Zurückweisungen an den deutschen Grenzen aus – auch für Schutzsuchende. Geplant sei ein faktisches Einreiseverbot für Menschen ohne gültige Papiere sowie Abschiebehaft für Ausreisepflichtige.