Der Medienrechtler Wolfgang Schulz hat der Verfassungsbeschwerde von ARD und ZDF zur Erhöhung des Rundfunkbeitrages gute Erfolgschancen eingeräumt. „Wenn die Länder den KEF-Vorschlag ohne verfassungsrechtlich tragfähige Begründung nicht umsetzen, ist fast sicher, dass die Beschwerde Erfolg hat“, sagte Schulz dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Leipzig. Es sei allerdings nicht auszuschließen, dass das Gericht die Chance nutze, grundsätzliche Bemerkungen zum Rundfunksystem zu machen, die nicht im Interesse der Anstalten lägen. „Ohne Risiko ist es also für ARD und ZDF nicht, diesen Weg zu beschreiten“, sagte Schulz, der Direktor des Leibniz-Instituts für Medienforschung in Hamburg ist.
ZDF und ARD haben am Dienstag Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags eingereicht. Die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) hatte eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich zum Jahreswechsel empfohlen. Die Regierungschefs und -chefinnen der Bundesländer hatten sich im Oktober auf eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geeinigt, einen Beschluss zum künftigen Rundfunkbeitrag jedoch bis zum nächsten Treffen am 12. Dezember in Berlin verschoben. Die Medienpolitik darf nur unter eng definierten Voraussetzungen von der KEF-Empfehlung abweichen.
Schulz sagte, dass die Anstalten Verfassungsbeschwerde erhöben, sei zu erwarten gewesen. „Eigentlich können sie gar nicht anders, denn sie haben ja einen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen, den sie nur mit hinreichenden finanziellen Mitteln umsetzen können.“ Die Länder hätten in einem Reformstaatsvertrag Maßnahmen beschlossen, die mittelfristig zu Einsparungen führen können. Jedoch sei es sehr unwahrscheinlich, dass diese Maßnahmen so früh griffen, dass der Rundfunkbeitrag jetzt nicht angepasst werden müsse. „Insofern haben die Anstalten kaum eine andere Wahl, als den Gang nach Karlsruhe anzutreten.“
Dabei sei der Zeitpunkt mehr eine taktische als eine rechtliche Frage. „Die Anstalten gehen offenbar davon aus, dass die Klage den Einigungsdruck bei den Ländern erhöht.“ Ob das klug gewesen sei, werde sich zeigen. „Es kann durchaus sein, dass sich die Fronten eher verhärten und diejenigen sich bestärkt fühlen, die am Sparwillen der Anstalten zweifeln und denen die verfassungsrechtlichen Grenzen womöglich egal sind.“ Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei grundsätzlich die Rücknahme einer Verfassungsbeschwerde insgesamt oder auch einzelner Rügen möglich. „Ich kann mir vorstellen, dass dies geschieht, wenn die Länder sich zu einer Lösung durchringen können“, sagte Schulz.
Auf Beitragsänderungen müssen sich zunächst die Länderchefs einigen, danach müssen die unterzeichneten Verträge von allen Landesparlamenten gebilligt werden. Auf dieser letzten Stufe scheiterte das Verfahren im Jahr 2020. Der Rundfunkbeitrag sollte damals zum 1. Januar 2021 um 86 Cent auf 18,36 Euro steigen. 15 Landesparlamente ratifizierten den entsprechenden Medienänderungsstaatsvertrag, einzig der Landtag von Sachsen-Anhalt stimmte im Dezember 2020 nicht ab und kippte die von der KEF empfohlene Erhöhung damit vorerst. ARD, ZDF und Deutschlandradio wehrten sich erfolgreich mit Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht, das die Erhöhung im Sommer 2021 schließlich anordnete.