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“Für die große Mehrheit ist Migration ein Top-Thema”

Das Meinungsforschungsinstitut INSA-Consulere aus Erfurt fühlt den Deutschen regelmäßig den Puls. Die Kunden kommen aus Politik, Wirtschaft und Medien. Gründer und Geschäftsführer von INSA-Consulere ist der aus Baden-Württemberg stammende Hermann Binkert. Jetzt hat er ein Buch geschrieben, in dem er beleuchtet, was die Deutschen bewegt. „Wie Deutschland tickt. Ein Meinungsforscher packt aus“ erscheint am Montag (2. Juni) im Handel. Mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) sprach der Katholik vorab über gefühlte Wirklichkeiten, mögliche Parteienverbote und die Fehler der Kirchen.

epd: Herr Binkert, lange hieß es, der Klimawandel sei die größte Sorge der Menschen in Deutschland. Die Bundestagswahlen im Februar wurden vor allem durch das Thema der illegalen Migration entschieden …

Binkert: Das mit der größten Sorge „Klima“ stimmte so nie. Wenn man auf suggestive Fragestellungen verzichtet und sich darum bemüht, differenzierte Ergebnisse zu erreichen, dann gab es zum Thema Klima Schwankungen. Das Thema ist insbesondere den Wählern der Grünen und der Linken wichtig. Das Thema der illegalen Migration beschäftigt Wähler der Grünen weniger häufig als die Wähler der anderen Parteien. Für die große Mehrheit der Befragten und hier eben hauptsächlich der Nicht-Grünen-Wähler ist die Migration ein Top-Thema. Bevor sich hier nicht spürbar etwas ändert, wird die Brisanz des Themas bleiben.

epd: Bei der Bundestagswahl wurde die AfD zweitstärkste Kraft. In den vergangenen Wochen wurde verstärkt ein mögliches Verbotsverfahren gegen die Partei diskutiert. Welche gesellschaftlichen Folgen hätte ein Verbot?

Binkert: Die Deutschen sind gespalten im Blick auf ein AfD-Verbot. Aktuell gibt es eine relative Mehrheit in der Bevölkerung, die es nicht gut fände, wenn die Bundesregierung ein solches Verbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht auf den Weg brächte. Ich gehe nicht davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht ein Verbot der AfD aussprechen würde. Ein gescheitertes Verbotsverfahren würde der AfD wahrscheinlich eher helfen als schaden.

epd: Deutschland wurde einst international nicht nur für seine stabile Demokratie bewundert, sondern auch für seine wirtschaftliche Stärke, seine Effizienz und Arbeitsmoral. Der Lack ist ab …

Binkert: Im Moment überwiegt der Pessimismus. Entscheidend sind nicht nur die statistischen Daten, sondern auch die gefühlte Wirklichkeit. Wenn die Deutschen nicht mehr von der Stärke ihres Landes überzeugt sind, wie sollen dann andere – zum Beispiel ausländische Investoren oder echte Fachkräfte – von Deutschland überzeugt sein?

epd: Auch die Kirchen stecken in der Krise, allein die beiden großen Kirchen verlieren jedes Jahr Mitglieder in der Größenordnung einer mittleren Großstadt. Dabei zeigen Ihre Umfragen, dass Glaubensthemen die Menschen hierzulande durchaus bewegen. Was läuft falsch?

Binkert: Die Zahl der Gläubigen in den Kirchen schwindet, die der Gläubigen außerhalb der Kirchen wächst. Es gibt eine Sehnsucht nach Antworten auf die letzten Fragen. Kirchen, die sich bei den vorletzten Fragen verzetteln, verlieren Vertrauen. Dabei ist die überwältigende Mehrheit der Menschen grundsätzlich offen für die frohe Botschaft. Eine Kirche, die mit Überzeugung verkündigt, wird auch wieder überzeugen.

epd: Welche Themen werden über die Zukunft Deutschlands entscheiden?

Binkert: Aus Sicht der Deutschen sind weiterhin Migration und Wirtschaft die Top-Themen. Dahinter kommt das Thema Weltpolitik und danach Sicherheit. Erst an fünfter Stelle steht der Themenbereich Umwelt.

epd: Vielen Dank für das Gespräch. (1252/30.05.2025)