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Flüchtlingsbeauftragte: “Die AfD will die Gesellschaft spalten”

Zwei Wochen vor der Bundestagswahl wünscht sich die Landesflüchtlingsbeauftragte in Schleswig-Holstein, Doris Kratz-Hinrichsen, ein breites Meinungsbild und warnt vor der AfD.

Doris Kratz-Hinrichsen ist die Landesflüchtlingsbeauftragte in Schleswig-Holstein
Doris Kratz-Hinrichsen ist die Landesflüchtlingsbeauftragte in Schleswig-Holsteinepd / Nadine Heggen

Die Landesflüchtlingsbeauftragte in Schleswig-Holstein, Doris Kratz-Hinrichsen, wünscht sich bei der Bundestagswahl am 23. Februar ein breites Meinungsbild. „Ich hoffe, dass die demokratischen Kräfte zusammenbleiben und an guten Lösungen arbeiten“, sagte die 53-Jährige im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie ruft alle Wählerinnen und Wähler mit und ohne Migrationshintergrund deshalb zur Stimmabgabe auf.

Vorher sollten sie sich unbedingt die Parteiprogramme anschauen. Denn die AfD und auch ausländische Kräfte versuchten, die Gesellschaft zu spalten. „Davor sind wir alle nicht gefeit, wenn wir Nachrichten sehen oder uns im Social-Media-Bereich bewegen“, erklärte Kratz-Hinrichsen, die am 15. Februar ein Jahr lang im Amt ist. Künstliche Intelligenz mache es zusätzlich schwieriger, zwischen echten und fiktiven Nachrichten zu unterscheiden. „Da hilft nur guter Journalismus und dass wir uns aus unserer Bubble auch mal rausbewegen.“

Flüchtlingsbeauftragte: 40 Prozent der Geflüchteten leiden an traumatischen Erfahrungen

Sie verstehe, dass Verbrechen wie in Brokstedt, Aschaffenburg und Magdeburg, die von Tätern mit Migrationshintergrund begangen wurden, das Sicherheitsgefühl der Menschen in Deutschland derzeit stark beeinträchtigen. „Diese Verbrechen müssen zu politischem Handeln führen. Aber man muss auch besonnen und in Ruhe handeln“, sagte sie. Eine landesweite oder bundesweite Zuständigkeitsbündelung in einigen Bereichen könnte von Vorteil sein. Dafür seien aber viele gesetzliche Veränderungen notwendig. „Das geht nicht von heute auf morgen.“

Hinzu komme, dass 40 Prozent der Geflüchteten an traumatischen Erfahrungen litten. „Die lange Verweildauer in den Gemeinschaftsunterkünften spielt hierbei auch eine Rolle. Da leben zum Teil Menschen sehr lange auf engstem Raum mit vielen anderen geflüchteten Menschen, das ist kein gesundes Umfeld“, erklärte die Flüchtlingsbeauftragte. Geflüchtete hätten in Deutschland in den ersten 36 Monaten aber nur Anspruch auf eine medizinische Grundversorgung. „Von Psychotherapie können wir da nicht sprechen.“ In dem Bereich gebe es zudem einen Arbeitskräftemangel. Die gesundheitliche Versorgung von Geflüchteten müsse deshalb unbedingt in den Fokus rücken.

Unterbringung von Flüchtlingen: Zu wenig bezahlbare Wohnungen

Was die Unterbringung angehe, seien die Landesunterkünfte gut aufgestellt. In den Kommunen sei es aber schwierig, adäquaten Wohnraum für Flüchtlinge zu finden. Bundesweit gebe es zu wenig bezahlbare Wohnungen. „In Schleswig-Holstein hat die Regierung gute Weichen in Richtung Erhaltung und Schaffung von Unterkünften gestellt, etwa indem sie die Standards für sozialen Wohnraum gesenkt hat“, sagte Kratz-Hinrichsen.

2024 haben laut dem aktuellen Zuwanderungsbericht 6.651 Asylbewerber in Schleswig-Holstein Schutz gesucht. Das ist gegenüber 2023 ein Rückgang um mehr als ein Drittel. „Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir nach wie vor ukrainische Kriegsvertriebene haben, die nicht zu der Gruppe der Asylsuchenden gehören, aber auch untergebracht werden müssen“, erklärte sie.

Die Zahlen von Rückführungen und Abschiebungen hätten sich aber auch erhöht. Kratz-Hinrichsen: „Worauf ich sehr stolz bin: 2024 sind 1.082 Personen freiwillig ausgereist. Das sind rund 74,5 Prozent mehr als 2023. Da leisten die Beratungsstellen im Land gute Arbeit.“