Nach der Abkehr Deutschlands von dem eigentlich fertig verhandelten Lieferkettengesetz hat der Rat der EU-Mitgliedstaaten die finale Abstimmung über die Richtlinie verschoben. Das teilte die belgische Ratspräsidentschaft kurz vor dem am Freitag angesetzten Votum in Brüssel mit. EU-Abgeordnete machten dafür die FDP verantwortlich, die ihre Unterstützung des Vorhabens in der vergangenen Woche zurückgezogen hatte. Die Grünen in Berlin forderten, dass die Bundesregierung beim nächsten Mal zustimmt. Nichtregierungsorganisationen dringen auf ein Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Die EU-Abgeordnete Anna Cavazzini (Grüne) erklärte nach dem Verschieben der Abstimmung, die FDP habe nicht nur Deutschland zu einer Enthaltung gezwungen, sondern auch auf andere Länder Druck ausgeübt, dem EU-Lieferkettengesetz ebenfalls nicht zuzustimmen. Im Streit über das Vorhaben sorgte zuletzt ein Brief von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) an seine EU-Amtskollegen für weiteres Aufsehen. Darin erläuterte Buschmann seine Ablehnung des EU-Gesetzes und appellierte auch an seine Kollegen, dem bereits vereinbarten Gesetz die Zustimmung zu entziehen.
Buschmann und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatten vergangene Woche publik gemacht, dass sie das eigentlich fertig verhandelte Lieferkettengesetz nicht mittragen wollen. Das Gesetz soll dafür sorgen, dass europäische Unternehmen die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren Lieferketten im Ausland sicherstellen.
Die Bundesregierung kündigte daraufhin an, sich bei der finalen Abstimmung im Rat der EU-Mitgliedsstaaten zu enthalten. Ob trotz der Enthaltung Deutschlands eine Mehrheit für die Richtlinie zustande kommen könnte, galt bis zuletzt als offen. Die Abstimmung war für Freitag um 13 Uhr geplant. Um 12.39 Uhr teilte die belgische Ratspräsidentschaft auf der Internetplattform X, ehemals Twitter, mit, die Abstimmung über das EU-Lieferkettengesetz sei von der Tagesordnung gestrichen und werde verschoben. Der neue Termin ist noch unbekannt.
Während die handelspolitische Sprecherin der FDP im Europäischen Parlament, Svenja Hahn, erklärte, die Verschiebung zeige, dass das Lieferkettengesetz in der aktuellen Form nicht mehrheitsfähig sei, kam auch von der SPD scharfe Kritik am Vorgehen der FDP. Der EU-Abgeordnete Tiemo Wölken warf den Liberalen vor, die Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik als Verhandlungspartner in der EU zu erschüttern. EU-Mitgliedsstaaten, EU-Parlament und Kommission hatten sich bereits im Dezember auf das Gesetz geeinigt. Das abschließende Votum in Rat und Parlament ist danach eigentlich nur noch Formsache.