In Deutschland ist der Widerstand gegen eine neue Politik gegenüber Syrien groß. Viele EU-Staaten wollen aber genau das. Und ein ausgewiesener Landesexperte betont: Viele Geflohene besuchen das angeblich unsichere Land.
Der frühere deutsche Botschafter in Syrien, Andreas Reinicke, unterstützt den Vorstoß mehrerer EU-Staaten für einen gelockerten Kurs gegenüber dem Regime in Damaskus. “Syrien ist ein wichtiger Staat südlich des Mittelmeerraums, dessen Instabilität den Migrationsdruck auf Europa erhöht”, sagte Reinicke, Direktor des Deutschen Orient-Instituts in Berlin, am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Europa hat jedes Interesse, über eine Neuorientierung seiner Politik nachzudenken.” Die Bundesregierung sollte daher den – wenn auch schwierigen – Prozess einer Überprüfung der aktuellen Syrien–Politik durch die EU unterstützen und nicht blockieren.
Die jetzigen Sanktionen gegen Syrien verschärfen nach Reinickes Worten die schwierige humanitäre Lage im Land, ohne das Regime von Präsident Baschar al-Assad nachhaltig zu schwächen. Zugleich kehrten geflohene Syrer – vor allem aus dem Libanon und Jordanien – tage- und wochenweise zurück in ihre Heimat. “Das deutet darauf hin, dass die Sicherheitslage nach deren eigener Einschätzung zumindest in einigen Gebieten wieder so stabil ist, dass sie eine Rückkehr für möglich halten.”
Die acht EU–Staaten, die nun eine Überprüfung des Syrien-Kurses anregen, vertreten aus Sicht Reinickes eine pragmatische Politik gemäß den Realitäten, insbesondere dem Flüchtlingsdruck. Hinzu komme, dass in Syrien ein Vakuum für andere Akteure entstanden sei, in das nun auch China dränge. Bereits jetzt sei der Einfluss Russlands in Syrien gewachsen. Die von Peking vermittelte jüngste Einigung zwischen den Palästinenserorganisationen Hamas und Fatah zeige, dass China auch in unmittelbarer Nähe Europas eine aktive Rolle spielen wolle. “Dies kann nicht im deutschen und europäischen Interesse sein”, so der Ex-Botschafter.
Vor wenigen Tagen hatten die acht EU-Staaten, darunter auch Italien und Österreich, beim EU-Außenministertreffen in Brüssel ein Diskussionspapier vorgelegt, das eine Annäherung der Union an das Assad-Regime fordert. Die Staaten argumentieren darin vor allem mit den belastenden Migrationsströmen und plädieren für die Ernennung eines Syrien-Beauftragten, um die Beziehungen neu auszuloten.