Der Bundestag debattiert am (heutigen) Donnerstag über einen Vorstoß zu einer Neuregelung der Abtreibungsfrage. Offen ist, ob das Parlament vor den Neuwahlen noch darüber abstimmt.
Wie sieht der Vorstoß einiger Parlamentarierinnen zur Neuregelung der Abtreibungsfrage aus, und welche Kritik gibt es daran? Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) beantwortet Fragen zu dem Vorstoß.
Derzeit sind in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche laut Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs rechtswidrig. Abtreibungen in den ersten zwölf Wochen bleiben aber straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt. Ebenso straffrei bleibt der Eingriff aus medizinischen Gründen sowie nach einer Vergewaltigung. Um den in den 1990er Jahren erzielten Kompromiss wurde lange gerungen.
Kern eines vor allem von Abgeordneten der SPD und der Grünen vorgelegten Reformentwurfs zur bisherigen Abtreibungsregelung ist, Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetz herauszunehmen. Abbrüche bis zur zwölften Woche sollen stattdessen “rechtmäßig und straffrei” sein und im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt werden. Eine Beratungspflicht soll bleiben, allerdings ohne die derzeit geltende Wartezeit von drei Tagen bis zur Abtreibung. Die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs sollen künftig von der Krankenkasse übernommen werden.
Zum einen berufen sich die Initiatorinnen des Antrags auf Empfehlungen, die im April von einer Expertenkommission vorgelegt wurden. Inhaltlich sprachen sich die Expertinnen in ihrem Bericht für eine Liberalisierung der Abtreibungsregelungen aus. Die derzeitigen Regelungen im Strafgesetzbuch hielten einer “verfassungsrechtlichen, völkerrechtlichen und europarechtlichen Prüfung” nicht stand, heißt es in dem Bericht. Das Selbstbestimmungsrecht der Frau werde nicht ausreichend berücksichtigt. Allerdings gab es viel Kritik an einer einseitigen Besetzung des Gremiums.
Zudem sehen die Initiatorinnen in der Regelung im Strafrecht eine überflüssige Stigmatisierung, die die Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen erschwere. Weiter begründen sie ihren Vorstoß damit, dass laut Umfragen die Mehrheit der Bevölkerung für eine Reform sei.
Die Expertenkommission übergab ihre Empfehlungen auch an Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dem damaligen Justizminister Marco Buschmann (FDP) und an Familienministerin Lisa Paus (Grüne). Schon früh gaben Lauterbach und Buschmann zu erkennen, dass sie eine Reform nicht forcieren und den in den 1990er Jahren erzielten Kompromiss nicht aufheben wollten. Lediglich Paus trat für eine Reform ein, konnte sich damit innerhalb der Bundesregierung aber nicht durchsetzen.
Die aktuelle Konstruktion gilt als gesellschaftlicher Kompromiss, der jedoch umstritten ist. Gegner sehen in der Regelung im Strafrecht eine überflüssige Stigmatisierung, die die Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen erschwert.
Union, AfD und große Teile der FDP lehnen eine Reform ab. Auch die katholische Kirche hat sich für die Beibehaltung der derzeitigen Regelung ausgesprochen. In dem nun zur Debatte stehenden Antrag sehen sie den Schutz für das ungeborene Leben, den Fötus, nicht ausreichend berücksichtigt. Zudem widersprechen sie dem Vorwurf, dass eine Kriminalisierung der betroffenen schwangeren Frauen sowie der Ärzte stattfinde, da es bei Einhaltung der Vorgaben zu keiner Strafverfolgung kommt. Viele Juristen – darunter auch der ehemalige Justizminister Buschmann – glauben zudem nicht, dass der Entwurf vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird.
Es gab zwei Änderungen: Eine der ersten Reformen der Ampel-Regierung war die Streichung von Paragraf 219a im Strafgesetzbuch. Der Paragraf untersagte Ärzten das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen von Schwangerschaftsabbrüchen aus finanziellem Vorteil heraus.
Zum anderen trat im November das Verbot der sogenannten Gehsteigbelästigung in Kraft. Als “Gehsteigbelästigung” werden aggressive Protestaktionen von Abtreibungsgegnern in der Nähe von Beratungsstellen, Arztpraxen oder Kliniken bezeichnet, die eine Schwangerschaftskonfliktberatung anbieten oder Abtreibungen vornehmen. Das Gesetz sieht vor, dass solche Protestaktionen innerhalb einer Schutzzone von 100 Metern um die Einrichtungen künftig als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro geahndet werden können.