Die Umweltschutzorganisation Greenpeace stellt der bayerischen Nahverkehrspolitik ein schlechtes Zeugnis aus. Laut einer von Greenpeace in Auftrag gegebenen Untersuchung hatten rund 38,5 Prozent der in Bayern lebenden Menschen einen sehr schlechten Zugang zum öffentlichen Nahverkehr, heißt es in einer Mitteilung vom Freitag. Nur in Niedersachsen sei der Anteil der vom Nahverkehr quasi abgehängten Menschen mit 42,2 Prozent noch größer. Für die Untersuchung haben Datenanalysten des Münchner Unternehmens Plan4Better für die gut 11.000 deutschen Gemeinden sowie Landkreise und Bundesländer das Nahverkehrsangebot ausgewertet.
Während es mit München nur eine bayerische Stadt in die „Top 10“ der Städte und Landkreise mit einem möglichst geringen Anteil der Bevölkerung mit sehr schlechtem Nahverkehr schafft, liegen sechs der zehn Landkreise mit dem bundesweit schlechtesten Nahverkehrs-Angebot in Bayern. Das Flächenland Bayern schneidet dabei aber nicht nur im Vergleich mit Stadtstaaten wie Berlin oder Metropolregionen wie dem Rhein-Main-Gebiet schlecht ab – auch der direkte Vergleich mit dem ländlich geprägten Baden-Württemberg fällt nur mäßig aus: Das „Ländle“ landet im Ländervergleich auf Rang 6, weil nur 21 Prozent der Bevölkerung ein sehr schlechtes Nahverkehrsangebot haben.
Grund für diese gravierenden Unterschiede ist laut Greenpeace, dass Baden-Württemberg eine „Vorreiterrolle“ beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs einnimmt, indem beispielsweise „Mindeststandards in allen Teilen des Landes“ gelten. Zwar habe auch die bayerische Staatsregierung 2022 eine Nahverkehrsstrategie beschlossen und wolle bis im Jahr 2030 die Fahrgastzahlen des Jahres 2019 verdoppeln. „Es bestehen jedoch Zweifel, wie ernsthaft die Regierung das Vorhaben verfolgt“, heißt es in der Greenpeace-Untersuchung. Ende vergangenen Jahres hatte der Landkreistag Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in einem Brandbrief vor dem Scheitern der Strategie gewarnt.
Die bayerischen Schlusslichter mit einem besonders hohen Anteil an Menschen mit sehr schlechtem Zugang zum Nahverkehr sind die Landkreise Straubing-Bogen (86,5 Prozent), Haßberge (81,8 Prozent), Unterallgäu (79,1 Prozent), Landshut (78,5 Prozent), Kelheim (78,3 Prozent) und Cham (77,4 Prozent). Als sehr schlecht gilt laut der Analyse ein Zugang zum Nahverkehr, wenn die festgelegte „Güteklasse“ der Schulnote fünf oder schlechter entspricht. Schulnote 1 gibt es etwa, wenn in 500 Metern Entfernung zum Wohnort eine S- oder U-Bahn mit einem Takt von weniger als zehn Minuten fährt, eine 6, falls im Umkreis von 300 Metern nur im Ein- bis Zweistundentakt ein Bus verkehrt.
Das Bundesland mit dem besten Nahverkehr ist übrigens Berlin mit einem Anteil von 0,5 Prozent der Bevölkerung, die einen sehr schlechten Nahverkehrs-Zugang haben. In Bayerns Landeshauptstadt München liegt dieser Anteil sogar bei nur 0,2 Prozent. In der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz und in Frankfurt am Main hat keine Bürgerin und kein Bürger einen sehr schlechten Nahverkehrs-Zugang. (0962/21.03.2025)