Deeskalationsschulung für das Personal, Videoüberwachung und bauliche Veränderungen: Kliniken ergreifen unterschiedliche Maßnahmen, um Gewalt gegen Personal zu verhindern. Jetzt geht es auch um den Einsatz von Bodycams.
Krankenhäuser in Deutschland sind offenbar immer häufiger Schauplatz von Übergriffen und Gewalt. Patienten rasten aus, weil sie über lange Wartezeiten genervt sind oder Ärzten und Pflegern die Schuld an Schmerzen und Behandlungsproblemen geben. Schmerzen und Angst werden in Aggression verwandelt. Bisweilen sind Alkohol und Drogen im Spiel.
Manche Vorfälle sorgen bundesweit für Schlagzeilen: Im September griffen Besucher des Essener Elisabeth-Krankenhauses das Klinik-Personal an, nachdem ein zuvor in die Notaufnahme eingelieferter Patient gestorben war. Als die Ärztin der Familie die Todesnachricht überbrachte, wurde sie mit Schlägen und Tritten attackiert. Die Familie stürmte und verwüstete das Behandlungszimmer, insgesamt sechs Klinikmitarbeiter wurden verletzt. In Berlin gingen in der Silvesternacht 2023/2024 in der Notaufnahme des Sana Klinikums drei Brüder auf das Klinikpersonal los, weil einer von ihnen mit einer Schnittverletzung nicht sofort behandelt wurde. Einer der Angreifer schlug den Arzt mit der Faust ins Gesicht und bedrohte ihn. Ein Pfleger wurde heftig gegen eine Wand geschubst und ging zu Boden. Derzeit stehen zwei der Brüder vor dem Amtsgericht.
Solche Fälle häufen sich. “Ganz offensichtlich ist die Hemmschwelle für Gewalttaten gesunken”, sagt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, am Mittwoch im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die meisten Vorfälle gebe es in den Notaufnahmen der Krankenhäuser, so der Chef des Krankenhausverbandes. “Wegbrechende niedergelassene Versorgung und fehlende Patientensteuerung sorgen dort für teilweise extrem lange Wartezeiten.” Das führe zu Frust und Aggression, vor allem bei denen, die nicht verstünden, dass in der Notaufnahme nicht der als erstes behandelt werde, der zuerst gekommen sei.
Konkrete Zahlen gibt es nicht. Umfragen des Deutschen Krankenhaus-Instituts aus den Jahren 2023 und 2024 ergaben, dass drei von vier Krankenhäusern steigende Zahlen von Übergriffen verzeichneten. “In 91 Prozent der Krankenhäuser gab es bereits Übergriffe in den Notaufnahmen, weit überwiegend ist der Pflegedienst betroffen”, sagte Gaß. Hinzu komme, dass wahrscheinlich viele minderschwere Fälle, vor allem verbale Gewalt, gar nicht angezeigt würden.
Gegenmaßnahmen sind heikel, aber auch teuer. Die Krankenhäuser sichern sich immer häufiger durch Sicherheitsdienste, bauliche Sicherheitsvorrichtungen, Besetzung von Schichtdiensten mit kräftigen Pflegern oder durch Deeskalations- und Selbstverteidigungskurse ab. Auch Videoüberwachungen in allgemeinen Aufenthaltsbereichen von Krankenhäusern nehmen zu, sagte Gaß.
Für Aufsehen sorgte jetzt das Klinikum Dortmund, das noch einen Schritt weitergehen will: Das Klinik-Personal könnte dort künftig mit Bodycams ausgestattet werden. Man stehe mit diesen Überlegungen aber noch ganz am Anfang und lasse sich juristisch beraten, teilte Pressesprecher Matthias Lackmann der KNA mit. “Wir wollen testen, ob die Bodycams die gleich deeskalierende Wirkung haben, wie sie sich bei Polizei und Ordnungsdienst der Stadt zeigt.”
Die Kameras sollten vor allem im Empfangsbereich der Notaufnahmen zum Einsatz kommen. “Wir erhoffen uns davon eine präventive Wirkung. Eingeschaltet werden die Kameras ausschließlich in eskalierenden und nicht in vertraulichen Situationen oder während einer medizinischen Behandlung”, versichert der Pressesprecher.