Er war Dachdecker, Josephine-Baker-Imitator und schwul. Weil sich Rudolf Brazda für Männer interessierte, sperrten ihn die Nationalsozialisten ins Konzentrationslager Buchenwald. Homosexuelle entsprachen nicht dem Männlichkeitsbild der Machthaber und wurden auf Grundlage von Paragraf 175 verfolgt: “Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt, oder sich von ihm zur Unzucht missbrauchen lässt, wird mit Gefängnis bestraft.”
Dass auch lesbische Frauen und Transpersonen NS-Opfer waren, zeigt jetzt eine Dokumentation, die ZDFinfo am Holocaust-Gedenktag am 27. Januar um 21 Uhr ausstrahlt. Vom 16. Januar an steht sie in der Mediathek. “Verbotene Liebe – Queere Opfer der NS-Diktatur” von Sebastian Scherrer stellt neben Brazda die Schicksale der Transperson Liddy Bacroff und von Elli Smula, die als lesbisch denunziert wurde, vor. Anders als Brazda überlebten sie beide die Lager nicht.
Archivmaterial aus der NS-Zeit und private Fotos
Der Film zeigt Archivmaterial aus der NS-Zeit und private Fotos. Hinzu kommen Interviews mit Historikern und einer Historikerin sowie nachgespielte Szenen. Dass auch in dieser Doku dramatische Musik zur Untermalung von ohnehin Schrecklichem eingesetzt wird, ist wie in vielen anderen solcher Fälle überflüssig. Schauspieler und Leute, die sich heute für die Rechte von Homosexuellen und Transpersonen einsetzen, machen sich auf die Spuren von Brazda, Bacroff und Smula.
Sie nehmen das Publikum mit in eine ehemalige Privatwohnung, nach Hamburg und Berlin, zu Stolpersteinen und in die Gedenkstätte KZ Ravensbrück, in dem Smula ums Leben kam. Den Angaben zufolge wurden über 50.000 queere Menschen nachweislich verfolgt, etwa ebenso viele homosexuelle Männer zwischen 1933 und 1945 wegen Verstößen gegen Paragraf 175 verurteilt. Im KZ mussten sie den rosa Winkel tragen.
Beeindruckend ist ein Zitat von Bacroff: “…ich habe meiner Natur gelebt”. Das war selbst nach dem Zweiten Weltkrieg vielen Menschen nicht vergönnt: Paragraf 175 des Strafgesetzbuches, der homosexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte, wurde erst 1994 im wiedervereinigten Deutschland abgeschafft. Und im vergangenen Jahr gedachte der Bundestag am 27. Januar erstmals queerer NS-Opfer.
Drehbeginn der Doku war schon vor dem 7. Oktober
Ebenfalls am Holocaust-Gedenktag läuft vor dieser Doku um 20.15 Uhr eine zweite auf ZDFinfo, die ab 22. Januar in der Mediathek zu sehen ist. Unter dem Titel “Warum Judenhass? – Antisemitismus in Deutschland” geht es um zeitgenössische Judenfeindschaft. Breiten Raum nehmen das Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober und dessen Folgen ein. Drehbeginn der Doku von Svaantje Schröder war allerdings schon vor diesem Datum, wie es heißt.
Auf die Frage im Titel versuchen Menschen aus Deutschland und Israel Antworten zu geben. Die israelische Schriftstellerin Ayelet Gundar-Goshen meint, es gebe ein Bedürfnis, sich gegen andere Menschen abzugrenzen und so die eigene Gruppe zu stärken.
Meron Mendel: Antisemitismus ist nichts Neues
Der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main, Meron Mendel, sagt mit Blick auf den Anstieg von Antisemitismus nach dem 7. Oktober in Deutschland: “Das ist alles nichts Neues. Wir reden von Langzeitentwicklungen.” Er wundere sich daher über ein gewisses “Kurzzeitgedächtnis”.
Zu den eindrücklichsten Szenen dieser Doku gehört, wenn der Rapper Ben Salomo aus gegen ihn gerichtete Hassnachrichten vorliest. Oder wie er Jugendlichen die Dimension von sechs Millionen in der NS-Zeit ermordeten Jüdinnen und Juden aufzeigt: Stellt euch vor, ihr lauft durch Berlin, Hamburg und Hannover – und begegnet keinem Menschen.
Bilder aus dem Gazastreifen von Trauernden
Aber auch: Audios, in denen eine Frau außer sich vor Angst während des Angriffs der Hamas offenbar in einem Telefonat mit ihrem Vater zu hören ist. Ihre Stimme bricht ab, und es sind nur noch Schreie und Schüsse zu hören. Bilder aus einem angegriffenen Kibbuz sind nicht zu sehen, stattdessen Szenen von dem Musikfestival, das von Terroristen überfallen wurde. Aus dem Gazastreifen werden gezeigt: Flüchtende, Trauernde, ein Haus, das in einer schwarzen Wolke zusammensackt.
Die Antirassismus-Trainerin Saba-Nur Cheema betont, dass das Wissen über den Nahostkonflikt in der Gesellschaft größer werden müsse. Und am Ende der Doku sagt eine Stimme aus dem Off: “Der Kampf gegen Antisemitismus ist auch ein Kampf für Freiheit und Demokratie.”