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„Wir dürfen uns nicht wegducken“

Am Mittwoch vergangener Woche ging die diesjährige Herbsttagung der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) in Würzburg zu Ende. Schwerpunktthemen waren der sexuelle Missbrauch in der evangelischen Kirche, aber auch Digitalisierung und Jugend. Vor Ort war Harald Geywitz (47) aus Potsdam. Der Politikwissenschaftler ist einer von 120 EKD-Synodalen sowie Mitglied der Synode der EKBO. Was ihn während der Tagung besonders beschäftigt hat, sagt er im Interview mit Uli Schulte Döinghaus.

Am Mittwoch vergangener Woche ging die diesjährige Herbsttagung der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) in Würzburg zu Ende. Schwerpunktthemen waren der sexuelle Missbrauch in der evangelischen Kirche, aber auch Digitalisierung und Jugend. Vor Ort war Harald Geywitz (47) aus Potsdam. Der Politikwissenschaftler ist einer von 120 EKD-Synodalen sowie Mitglied der Synode der EKBO. Was ihn während der Tagung besonders beschäftigt hat, sagt er im Interview mit Uli Schulte Döinghaus.Herr Geywitz, wie wurden Sie EKD-Synodaler?Ich wurde im vergangenen Jahr von der EKBO-Landessynode, der ich angehöre, im Rahmen einer notwendig gewordenen Nachwahl, gewählt. Demokratie funktioniert bei uns Evangelischen auf allen Ebenen recht gut.Mit welchen Erwartungen sind Sie nach Würzburg gereist?Zunächst mit den Erwartungen, mit denen ich auch fachlich zu tun habe. Ich bin im „Zukunftsausschuss“ vertreten …… wo Sie sich mit Digitalisierung beschäftigen.Nicht nur, sondern durchaus auch mit anderen Zukunftsthemen, etwa der Theologen-Ausbildung. Ein Thema, das zu Recht gesetzt war und dem ich mit gemischten Erwartungen entgegensah, war „Sexualisierte Gewalt in Kirche und kirchlichen Institutionen“.

Ein ungeliebtes, beklemmendes Thema …… das die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs sorgfältig und intensiv im Auftrag des Rates der EKD vorbereitet hatte. Die Debatte nahm einen großen Raum ein. Das fand ich unausweichlich. Wir können dazu nicht schweigen, das ist keine Option. Was jetzt zu tun ist, das haben wir in einem Elf-Punkte-Katalog beschlossen.

Abgestimmte Kataloge und weitere Studien, die ebenfalls beschlossen wurden, sind das eine …… zwei konkrete Dimensionen der Aufarbeitung sind das andere. Die individuelle Dimension betrifft die Menschen, die zu Opfern von kirchlichen und diakonischen Vertretern geworden sind. Da muss man individuelle Wege finden, wie man helfen kann. Die andere Dimension ist die Institution, der Machtapparat Kirche. Die Beispiele, die auch Kirsten Fehrs in ihrer bewegenden Rede aufgezählt hat, zeigen, dass innerhalb unserer Kirche und in diakonischen Werken oft nicht so genau hingeschaut wird, wenn es um sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch geht. Wir dürfen uns nicht wegducken.Alle reden über Digitalisierung. Warum beschäftigt sich nun auch die Evangelische Kirche in Deutschland damit?Jenseits der Kirchenräume und Gemeindesäle gibt es nun mal andere Räume, und in denen dürfen wir als Kirche nicht stumm sein. In diesen digital vernetzten Räumen, etwa in den „sozialen Medien“, sind immer mehr Menschen zu Hause, denen wir unsere Botschaft verkünden wollen und mit denen wir über unseren Glauben sprechen wollen.

Wo sind die anderen Räume?Es gibt eine Nachfrage nach Seelsorge in den sozialen Netzwerken, die besonders Jugendliche fast ausschließlich nutzen …… die aber für „klassische“, traditionelle Gemeindeglieder ein Gräuel und ein Rätsel sind.Es geht ja nicht darum, nur noch digital unterwegs zu sein. Aber man muss schon auch dort sein und von unserem Glauben sprechen und christliches Zeugnis geben, wo Menschen eben sind. Und wenn das heute auch YouTube, Facebook und Twitter sind, dann müssen wir dort auch sein. Kirchenglocken, die uns zum Gebet rufen, hören wir Älteren gewohnheitsmäßig. Aber jemand, der unter 30 ist, fragt sich, warum bekomme ich zum Gottesdienst keine einladende Push-Nachricht auf mein Smartphone?Womit wir bei einem weiteren Schwerpunktthema der EKD-Synode sind, der Jugend.Es gibt gerade bei jungen Menschen eine Sehnsucht nach Spiritualität und Glauben. Das zeigten die Impulse, die von den Jugenddelegierten auf der EKD-Synode ausgingen und von den Jugendlichen, die mit den herkömmlichen Angeboten – etwa in der Kirchenmusik oder in der Pfarrerausbildung – einen ganzen Abend lang eindrucksvoll ins Gericht gingen. Die können mit der Institution, so wie sie heute ist, wenig anfangen. Und genau das ist der Grund, warum wir diese Kirche ändern müssen. Aber: Wie trägt man solche Impulse in seine eigene Landeskirche, in seinen Kirchenkreis, in seine Gemeinde? Das ist die Herausforderung, die ich von der EKD-Synode mitgenommen habe.

Alle Beschlüsse der 5. Tagung der 12. EKD-Synode sowie Berichte, Dokumente und Videos finden Sie unter: www.ekd.de/5-tagung-der-12-synode-der-ekd-38377.htm