Unsere Kirchengemeinden kennen sich seit einer Ewigkeit – und das trotz der Mauer, die zwischen uns stand. Seit 52 Jahren treffen sich Menschen aus unseren beiden Kirchengemeinden einmal jährlich. Zwei befreundete Theologen knüpften damals die Kontakte und so sind wir uns erstmalig 1972 in Berlin, in den Räumen der Elias-Kirchengemeinde im Prenzlauer Berg begegnet. Bei uns in Niewitz, Lubolz und Steinkirchen wurde die Partnerschaft teilweise auf uns Kinder übergeben, nicht jedoch in Heiligenkirchen. Wir Heiligenkirchner hatten damals ein Tagesvisum für Ostberlin und ab 1976 besuchten wir direkt den Spreewald.
In diesen 52 Jahren sind echte Freundschaften entstanden. Es war ganz selbstverständlich, die Westfreunde zu runden Geburtstagen einzuladen. Sie gehörten zur Familie, besuchten den Spreewald manchmal bis zu vier Mal im Jahr. Andersherum war das leider nicht möglich. 1990 reisten die Mitglieder des Gemeindekirchenrates aus Lübben-Land erstmalig mit dem Zug nach Heiligenkirchen. Es war eine heitere, ausgelassene Reise.
Unterschiede zwischen Ost und West spielen keine Rolle
Alle freuen sich jedes Jahr auf diese Begegnung. Es fühlt sich an wie nach Hause zu kommen, wir sind einander vertraut und zugewandt. Es ist jedes Mal ein freundliches, warmes Willkommen. Das ist immer wieder ergreifend. Ob es Unterschiede zwischen Ost und West gibt? Das interessiert uns nicht. Uns verbindet unser Glaube.
Die gemeinsamen Gespräche, in den wir unsere Sorgen und Nöte austauschen können, stärken unsere Gemeinschaft. Unsere Herausforderungen als Christinnen und Christen und für unsere Kirchengemeinden sind ja sehr ähnlich – sei es beim Thema Fusion, Kirchensanierung oder wie wir die jüngeren Generationen für uns gewinnen können. Stundenlang sitzen wir immer zusammen. Früher, als wir uns noch in Ostberlin trafen, mussten wir irgendwann „Stopp“ sagen – das Tagesvisum lief aus und die Heiligenkirchner mussten zurück nach Westberlin.
Gemeindeglieder im lebendigen Austausch
Wir beide organisieren unsere jährlichen Treffen. Der Ablauf ist jedes Jahr gleich. Freitag geht es los mit einer Begrüßungsandacht und Sonntag endet unser Besuch mit einem Abschlussgottesdienst mit Abendmahl. Samstag steht ein Ausflug auf dem Programm – das ist immer ein Highlight, denn wir leben beide ja in touristischen Regionen.
30 Menschen hatten sich dieses Jahr Anfang September rund um Lübben getroffen. Die Kahnfahrt in Schlepzig war klasse! Der Nachmittag und der Abend sind reserviert für intensive Gesprächsrunden, meist über Glaubensthemen oder auch mal nur für den Austausch darüber, was uns gerade am meisten im Gemeindeleben bewegt.
Vor 35 Jahren fiel die Berliner Mauer
In diesem Jahr feiern wir 35 Jahre Mauerfall. Damals, 1989, feierten wir auch – und zwar zusammen. Denn zufälligerweise war der Besuch der Heiligenkirchner zwischen dem 10. und 12. November geplant. Sie waren nervös, was sie an der Grenze erwarten würden. Dann begegneten ihnen die ersten Trabbis. Als sie im Spreewald ankamen, waren sie total aufgelöst – die Grenze war geöffnet! Wir waren
alle unendlich glücklich.
Wir kennen uns, wir sprechen miteinander – da können keine Vorurteile entstehen. Wir hören dem anderen zu, geben ihm Raum, Frust loszuwerden. So haben wir die Chance, andere Sichtweisen kennenzulernen. Dadurch leben wir eine glückliche Gemeinschaft. Wir freuen uns schon auf das Treffen im nächsten Jahr in Heiligenkirchen – und hoffen, dass wir auch jüngere Gemeindeglieder dafür begeistern können, unsere Ost-West-Partnerschaft in Zukunft zu halten.