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Wie eine Gedenktafel im Hamburger Michel für einen “Skandal” sorgt

Gefallene Soldaten in China und Afrika würdigt eine Gedenktafel im Michel. Für den Historiker Jürgen Zimmerer ist das “Heldenkult”. Die Kirchengemeinde hat bereits reagiert.

"Michel" ist der Spitzname der St. Michaeliskirche, eine der Hauptkirchen von Hamburg
"Michel" ist der Spitzname der St. Michaeliskirche, eine der Hauptkirchen von HamburgImago / Westend61

Im Hamburger Michel sorgt eine Gedenktafel für Diskussionen. Sie ist den deutschen Gefallenen für Kaiser und Reich in China und Afrika gewidmet. „Es wird der ‘Helden’ gedacht, die den Genozid an den Herero und Nama verübten, und auch in China grausam wüteten, aber zu den Opfern findet sich dort kein Wort“, sagte der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das sei Heldenkult, nicht Opfergedenken.

Dass die Tafel trotz langjähriger Proteste unkommentiert in der Kirche hänge, gehöre „zu den größten Skandalen im Umgang mit dem Erbe des Kolonialismus in Hamburg, wenn nicht in ganz Deutschland“, sagte der Professor für Globalgeschichte und Leiter der Forschungsstelle Hamburgs (post-)koloniales Erbe. Die Gemeinde St. Michaelis verwies auf ihre ausliegenden Flyer mit Informationen zur historischen Einordnung der Tafel und kündigte an, in diesem Jahr „neue Formen“ der Würdigung der Opfer zu diskutieren.

Gemeinde legt Flyer aus

Hauptpastor Alexander Röder sagte, dass sich die Gemeinde seit Jahren mit dem kolonialen Erbe beschäftige, um die Opfer unter den afrikanischen Völkern der Herero und Nama zu würdigen. Es hätten zwei Symposien im Michel stattgefunden, an denen auch Vertreter der Herero teilgenommen haben. „Aktuell haben wir in der Kirche einen Flyer ausgelegt, der die Gedenktafel in den historischen Kontext setzt und die Besucher über die Geschichte in Afrika und China informiert“, sagte Röder. Der Flyer gehe unter anderem auf die Kolonialgeschichte ein, die nach heutiger Sicht durch die Unterdrückung und Ermordung von Tausenden Menschen im südlichen Afrika als Völkermord zu bewerten sei. Die Neuinterpretation der Tafel durch den Flyer würde von Michel-Besuchern beachtet und angenommen, hieß es.

Michel-Hauptpastor Alexander Röder
Michel-Hauptpastor Alexander Röderepd-bild / Stephan Wallocha

Dass es darüber hinaus noch andere Formen der Würdigung der Opfer der Aufstände in Afrika und China geben könne, sei der Gemeinde bewusst und solle noch in diesem Jahr diskutiert werden. Wie diese Form aussehen könnte, sei noch offen. Röder erläuterte: „Wir werden im neuen Kirchengemeinderat und in Absprache mit dem Denkmalschutzamt und kirchlichen Stellen beraten und entscheiden, welche Form eine historische Kontextualisierung der Tafel haben könnte.“ Die Gedenktafel zu entfernen, ist für ihn jedoch keine Alternative. „Ein Abhängen ist keine angemessene Lösung, weil es die Geschichtsvergessenheit und das Nichtwissen um die Grauen der Kolonialgeschichte eher verstärken würde“, sagte der Pastor.

Historiker Zimmerer fordert dagegen, die Tafel entweder abzuhängen oder in gleicher Größe mit einer Informationstafel zu ergänzen. Wie das aussehen kann, zeige die Christus- und Garnisonskirche in Wilhelmshaven: Als deutliche Abgrenzung wurde eine Plexiglasscheibe vor die Gedenktafel installiert. Auf der Glasscheibe wird in Text und Bild über die Opfer des deutschen Kolonialismus informiert. Für Zimmerer steht die Gedenktafel im Michel nicht zuletzt „für das Bündnis zwischen Thron und Altar auch bei der Verübung schwerster Verbrechen“. Die Kirche wäre gut beraten, neben der Gedenktafel „auch ihr eigenes Wirken aufzuarbeiten, etwa bei der Unterstützung des Genozids in Namibia oder allgemein in der Missionierung“, sagte Zimmerer.