Länder des Globalen Südens setzen große Hoffnungen in das EU-Lieferkettengesetz. Es soll für die Einhaltung von Menschenrechten sorgen. Doch Deutschland will sich bei der Abstimmung heute enthalten. Wegen der FDP.
Vor der EU-Abstimmung zur Lieferkettenrichtlinie am heutigen Freitag gibt es viel Kritik an der Ankündigung der Bundesregierung, sich zu enthalten.
Der Generalsekretär des katholischen Kolpingwerks, Markus Demele, sprach im Interview des Kölner Portals domradio.de von einem “absoluten Desaster” in mehrerlei Hinsicht: “Es wäre eine Riesenchance für die Menschen im globalen Süden gewesen, in der Lieferkette europäischer Unternehmen vor Menschenrechtsverstößen und Umweltbelastungen besser geschützt zu werden und auch was Maßnahmen gegen den Klimawandel angeht.”
Vor allem aber sei die deutsche Enthaltung “politisch ein fatales Signal”, ergänzte Demele – vor allem mit Blick auf die FDP: “Wie kann es sein, dass eine so kleine Partei so wichtige Entscheidungen, die für Millionen von Menschen Relevanz haben, einfach boykottieren kann?” Dabei seien die von den Liberalen angeführten Zusatzkosten minimal: Einer neuen Studie zufolge “müssten nur 0,005 bis 0,1 Prozent des Umsatzes aufgebracht werden, je nach Unternehmensgröße: Also eine minimale Belastung, die viele Unternehmen heute schon fordern, weil sie die Belastung für angemessen halten und sie in einem guten Verhältnis zum Ziel steht.”
Laut Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) muss sich Deutschland enthalten, weil die FDP nicht bereit sei, einen von ihm vorgeschlagenen Lösungsweg mitzugehen. Das EU-Vorhaben steht damit insgesamt auf der Kippe, da eine Mehrheit auch aufgrund der Bedenken aus anderen Ländern nicht absehbar ist.
Die EU-Institutionen hatten sich im Dezember auf einen Kompromiss für ein Lieferkettengesetz geeinigt. Demnach sollen etwa große Unternehmen vor europäischen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn es in ihren Produktions- und Lieferketten zu Kinder- oder Zwangsarbeit kommt. Der Europäische Rat als Gremium der EU-Staats- und Regierungschefs muss dem Kompromiss noch zustimmen.
Kritik an der deutschen Enthaltung gab es auch von weiteren kirchlichen und anderen Organisationen. Für das katholische Hilfswerk Misereor ist sie “ein fatales Signal an alle Menschen, die weltweit von Ausbeutung, moderner Sklaverei, Vertreibung und Urwaldzerstörung betroffen sind”.
Die internationale Organisation Oxfam warf der Bundesregierung vor, Profitinteressen über den Schutz von Menschenrechten zu stellen. Sollte das Gesetz scheitern, werde dieser Schutz um Jahre zurückgeworfen.