Die ARD-Journalistin Natalie Amiri (46), die „Darmstädter Geschichtswerkstatt“ und die nordhessische Initiative „Offen für Vielfalt – Geschlossen gegen Ausgrenzung“ sind mit dem diesjährigen Walter-Lübcke-Demokratie-Preis ausgezeichnet worden. „Unsere Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit“, sagte Innenminister Roman Poseck (CDU) am Mittwoch bei der Preisverleihung in Darmstadt. Im Andenken an Walter Lübcke betonte er: „Noch heute sind wir voll der Trauer.“
Die Journalistin Natalie Amiri wurde 1978 in München als Tochter eines iranischen Vaters und einer deutschen Mutter geboren. Wie die Hessische Staatskanzlei bereits Ende August zur Bekanntgabe der Preisträger mitteilte, erhielt sie die Auszeichnung insbesondere für ihre Berichterstattung über die Freiheitsbewegung im Iran. Amiri ist Islamwissenschaftlerin, Moderatorin und frühere Iran-Korrespondentin der ARD. „Sie geben denen eine Stimme, die im Iran und in Afghanistan eingesperrt sind“, sagte Poseck zu Amiri.
Die Preisträgerin selbst mahnte: „Ich möchte nicht, dass wir eines Tages sagen: Wir hätten sie retten können, die Demokratie.“ Es brauche ganze viele Menschen wie Walter Lübcke, die mitwirken wollen. Amiri appellierte an Menschen gerichtet, die sich hierzulande in einer vermeintlichen Diktatur wähnen, „weniger zu jammern“, selbst mehr für die Gesellschaft zu tun und wahrzunehmen, wie stark etwa die Meinungsfreiheit in Deutschland sei.
Die Darmstädter Geschichtswerkstatt wurde Anfang der 1980er-Jahre von Studierenden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Instituts für Geschichte an der Technischen Hochschule Darmstadt gegründet. Ihr Ziel sei „die Erforschung und Vermittlung der Geschichte der ‘kleinen Leute’ und der Minderheiten, aber auch der Geschichte vor Ort und der Alltagsgeschichte“, so die Staatskanzlei. Thematische Schwerpunkte seien der Nationalsozialismus, „Jüdische Spuren“ sowie die Industrie- und Alltagsgeschichte. Poseck betonte, dass es zur Sicherung der Demokratie gehöre, sich mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen. „Ihre Arbeit ist heute wichtiger denn je“, so der Innenminister zur Geschichtswerkstatt.
Das Bündnis „Offen für Vielfalt“ und seine über 35 Mitgliedsorganisationen macht sich in der Region Kassel gegen Ausgrenzung von Menschen in Gesellschaft und Arbeitswelt stark. „Sie machen deutlich, dass wir vor Vielfalt keine Angst haben müssen“, sagte Poseck an das Bündnis gewandt. „Offen für Vielfalt“ setze demnach einen Kontrapunkt gegen jene, die bestimmte Menschengruppen für alles Übel verantwortlich machen wollen.
Der Walter-Lübcke-Demokratie-Preis wird seit 2020 alle zwei Jahre von der hessischen Landesregierung an Persönlichkeiten und Institutionen vergeben, die sich besonders für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie engagieren. Die Auszeichnung erinnert an den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU), der im Juni 2019 auf der Terrasse seines Hauses von einem Rechtsextremisten erschossen wurde, nachdem er sich engagiert für die Aufnahme von Flüchtlingen eingesetzt hatte.
Bei der Verleihung in Darmstadt waren auch Irmgard Braun-Lübcke, die Ehefrau von Walter Lübcke und der Sohn Christoph Lübcke anwesend. Sie überreichten die Auszeichnungen an die Preisträger, hielten das Andenken an den ermordeten Vater und Ehemann hoch und zeigten, dass sie „keine Angst haben“, so Braun-Lübcke.