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Vom Kirchturmläuten bis zu den Staatskirchenverträgen

Rund 9,4 Millionen Wahlberechtigte in Bayern dürfen bei der Landtagswahl am 8. Oktober ihre Stimmen abgeben. Für viele Wählerinnen und Wähler sind Umfragen zufolge vor allem die Bildungspolitik oder auch die Verkehrs- und Energiepolitik Themenfelder, von denen sie ihre Wahlentscheidung abhängig machen. Vor allem für kirchlich-sozialisierte oder religiös interessierte Menschen dürfte aber auch von Bedeutung sein, was die Parteien zu den Themen Religion und Kirche zu sagen haben. Der Evangelische Pressedienst (epd) hat in die Wahlprogramme der sechs aktuell im Landtag vertretenen Parteien geschaut.

CHRISTLICH-SOZIALE UNION (CSU):

Für eine erklärtermaßen christliche Partei spielen Glaube und Religion im Landtagswahlprogramm eine eher geringe Rolle. Einmal in Bezug aufs ehrenamtliche Engagement: „Fast jeder Zweite im Freistaat engagiert sich sozial, für Tradition und Brauchtum, Sport, Naturschutz, Kultur oder in der Kirche.“ Oder, als sich die CSU zur Bewahrung des kulturellen Erbes äußert: „Der Schutz christlicher Feiertage gehört zu diesem Erbe genauso wie die Unterstützung unserer vielen Heimat-, Trachten-, Schützen- und Musikvereine.“ Offenbar setzen die Autoren des Wahlprogramms die Kenntnis des Grundsatzprogramms vom Mai 2023 voraus. Denn dort spielt das christliche Menschenbild eine zentrale Rolle. Im Grundsatzprogramm heißt es beispielsweise: „Unser Land braucht lebendige Kirchen.“ Andere Religionen als das Christentum werden mit einer Ausnahme nicht erwähnt: Das „blühende jüdische Leben“ in Bayern soll erhalten, gefördert und geschützt werden.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Die Grünen bekennen sich in ihrem Wahlprogramm zur Diversität: „Religiöse, weltanschauliche Vielfalt ist ein Zeichen dieser Toleranz“, heißt dort, und: Das Recht auf freie und sichere Religionsausübung sei für sie nicht verhandelbar. Die Kirchen als zivilgesellschaftliche Akteure bleiben im Programm unerwähnt. Man stelle sich Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und allen weiteren Formen religionsbezogener Diskriminierung konsequent entgegen. Eine „gleichberechtigte Teilhabe der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften“ wollen die Grünen fördern, und zwar in allen Gesellschaftsbereichen. Doch dafür stellt die Partei eine Bedingung: „Als Voraussetzung hierfür erwarten wir ein klares Bekenntnis zum Grundgesetz.“ Jüdisches Leben sehen die Grünen als integralen Bestandteil Bayerns. Den momentan von den Kirchen verantworteten konfessionellen Religionsunterricht wollen sie abschaffen und durch das Unterrichtsmodul „Ethik und Religion“ ersetzen.

FREIE WÄHLER:

Das eher stichwortartige Wahlprogramm der Freien Wähler lässt das christliche Menschenbild und die Kirchen als Partner der Politik außen vor. Religion kommt nur einmal vor, nämlich, wenn es darum geht, dass die Partei Projekte gegen rechten, linken und religiösen Extremismus fördern wolle. Positiv erwähnt wird immerhin das Geläute der Kirchturmglocken. Die Freien Wähler streben nach einem „lebens- und liebenswerten Bayern, in dem Geselligkeit und Tradition die Gesellschaft stabilisieren“. Mit einer deutschlandweiten Initiative wollen sie „das gewachsene Sinneserbe unserer Heimat schützen“. Zum Sinneserbe zählen „landesübliche Geräusche wie Kirchturmläuten, Kuhglocken oder ortsbekannte Gerüche wie der Brotduft einer Bäckerei“. Kein Thema im Wahlprogramm sind der schulische Religionsunterricht, das Staats-Kirchen-Verhältnis oder andere Religionen. Auch eine Position zum jüdischen Leben, das die anderen Parteien dezidiert fördern wollen, fehlt völlig.

SPD:

In ihrem Wahlprogramm zeigt die SPD eine große Nähe zu Kirchen und Religionsgemeinschaften: „Sie leisten einen unschätzbaren Beitrag zu dem gesellschaftlichen Miteinander“. Die Haupt- und Ehrenamtlichen werden als „bedeutende soziale Akteure“ gewürdigt. Die SPD begrüßt „das friedliche Miteinander der Glaubens- und Weltanschauungsrichtungen und den interreligiösen Dialog“. Man werde jeglicher Diskriminierung aufgrund von Religion oder Weltanschauung ebenso wie religiösem Extremismus sowie Antisemitismus entschieden entgegentreten, ist dort zu lesen. Die SPD positioniert sich außerdem klar zum sogenannten Dritten Weg, also dem kirchlichen Arbeitsrecht, den sie bundesweit abschaffen will. Dazu will die SPD mit den Diözesen und der Landeskirche in Kontakt treten, sollte sie an der Landesregierung beteiligt sein. Andere Religionen außer dem Christentum finden im Programm kaum Platz. Die Einzige, die überhaupt erwähnt wird, ist das Judentum.

FDP:

Die FDP positioniert sich in ihrem Wahlprogramm vergleichsweise umfassend zum Thema Religion und Kirche: So tritt sie für eine konsequente Trennung von Kirche und Staat ein und will die Staatskirchenverträge mit katholischer und evangelischer Kirche abschaffen. Damit verbunden will die FDP auch die derzeit mal wieder in der Diskussion stehenden Staatskirchenleistungen möglichst schnell ablösen. Außerdem tritt die FDP für eine Neuordnung der derzeitigen Sonderstellungen der Kirchen im Arbeits- und im Medienrecht ein. Darüber hinaus wollen die Liberalen die Feiertagsregelungen lockern – dazu gehört eine Abschaffung des Tanzverbots an den neun „Stillen Feiertagen“ in Bayern. Aus Sicht der Partei darf die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle im Kirchenumfeld nicht allein den Kirchen überlassen werden. Die FDP Bayern will den Schutz jüdischen Lebens als Staatszielbestimmung in die Verfassung aufnehmen. Andere Religionen werden kaum erwähnt.

AfD:

Auch die AfD pocht in ihrem Wahlprogramm auf eine Trennung von Kirche und Staat. Sie fordert die Ablösung der Staatsleistungen, die an die großen Kirchen als Ausgleichsleistung für die Säkularisierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts gezahlt werden. Dienstleistungen der Kirche für die Gesellschaft seien künftig im Einzelnen abzurechnen. Radikaler und weitaus gravierender wäre ein Ende des staatlichen Einzugs der Kirchensteuer, wie ihn die AfD fordert. Die Partei positioniert sich außerdem gegen das Kirchenasyl sowie die kirchlich unterstützte Seenotrettung im Mittelmeer. Während die AfD den öffentlichen Muezzinruf an Moscheen strikt ablehnt, befürwortet sie das „religiös und kulturell tief in Bayern verwurzelte Läuten der Glocken christlicher Kirchen“. Am Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst, in Kitas und Schulen will die AfD festhalten und für eine konsequente Umsetzung sorgen, heißt es. Das Verbot soll auch für Kita-Kinder und Schülerinnen gelten. (00/3101/24.09.2023)