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Antijüdische Klischees: Streit um Bachs Passionen geht weiter

Sollen die Passionswerke von Bach wegen antijüdischer Klischees nicht mehr aufgeführt werden? Nein, sagt der Wiener Theologe Jan-Heiner Tück und liefert eine Begründung.

Die Bach-Passionen stehen wegen antijüdischer Klischees in der Kritik
Die Bach-Passionen stehen wegen antijüdischer Klischees in der KritikImago / epd-bild

Die Karwoche und Ostern ohne die populären Bach-Passionen? Keine gute Idee, findet der Wiener katholische Theologe Jan-Heiner Tück. Er wendet sich gegen einen Vorstoß, die Passionsmusiken von Johann Sebastian Bach wegen antijüdischer Klischees zeitweilig nicht aufzuführen.

In der Tat sei Solidarität geboten, weil jüdisches Leben heute auch in Deutschland wieder gefährdet sei, schreibt Tück in einem Beitrag für das Portal communio.de. Alle Formen von gegenwärtigem Antisemitismus und auch “importiertem” Judenhass in Deutschland zu bekämpfen, sei das Gebot der Stunde – “nicht aber die Zensur der Passionen von Bach”.

Bachs Passionen: “Die Juden” schuld an Jesu Tod

Der niedersächsische Antisemitismus-Beauftragte Gerhard Wegner hatte einen zeitweiligen Aufführungsstopp der Passionsmusiken von Bach (1685-1750) rund um das Leiden und Sterben Jesu ins Spiel gebracht. Auch seien Aufführungen ohne vorherige Hinweise verantwortungslos, fügte er hinzu. In Werken wie der Matthäus- und der Johannes-Passion, die vor Ostern oft aufgeführt würden, werde zum Beispiel der Eindruck erweckt, dass pauschal “die Juden” die Schuld an Jesu Tod trügen.

Tück erklärte dazu, dass sehr wohl unterschiedliche Stränge des kirchlichen Antijudaismus selbstkritisch aufgearbeitet werden müssten. Historische Einordnungen und kritische Kommentierung seien die geeigneten Instrumente, Texte der Tradition zu bearbeiten.

“Aber ein Problem schafft man nicht aus der Welt, indem man Verbote ausspricht, Zensuren vornimmt oder kanonische Texte umschreibt”, ergänzte der Theologe. Daher sei es falsch, die Aufführung von Bachs Passionsmusik zeitweise auszusetzen. Denn dann müsste man auch die Rezitation des Johannes-Evangeliums im Gottesdienst untersagen: “Es modelliert ja die Gegnerschaft zwischen dem Juden Jesus und ‘den Juden’ besonders scharf heraus und bemüht sogar den Topos der ‘Synagoge des Satans’.”

Johannes-Passion: Choral weist in andere Richtung

Hinzu komme, dass es auch einen Choral in Bachs Johannes-Passion gebe, der in eine andere Richtung weise, so Tück weiter: “Auf die Frage: ‘Wer hat dich so geschlagen?’ lautet die Antwort nicht etwa ‘die Juden’, sondern: ‘Ich, ich und meine Sünden.”

Der evangelische Theologe Axel Töllner hatte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) gesagt, aus der Passionsmusik Bachs zu früheren Zeiten sei “eine Passionsfrömmigkeit mit brutalen Auswüchsen gegen Juden” erwachsen. Er schlug daher Vorträge zum Thema vor und eine Gottesdienstreihe, in der das Thema behandelt werde. In das Programmheft ließen sich dann entsprechende Informationen hineinnehmen. Konzerte könnten auch so gestaltet werden, dass die Passion mit einem anderen Stück kontrastiert werde.