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Syrien-Experte: Immaterielles christliches Erbe ist in Gefahr

Syrien erlebt eine Zeitenwende. Nach Jahren von Bürgerkrieg und Diktatur muss eine neue Ordnung entstehen. Christen sorgen sich, welcher Platz ihnen im künftigen Syrien zustehen soll.

Mit Hoffnung und Sorge schauen die Christen in Syrien nach dem Sieg der islamistischen Rebellen auf die Zukunft. Das immaterielle Erbe sei unter diesen Umständen der starken Fluchtbewegung der orientalischen Christen stark gefährdet, erklärt der Salzburger syrisch-orthodoxer Theologe Aho Shemunkasho der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Dienstag. Es brauche nun konkrete Maßnahmen und Unterstützung der Weltgemeinschaft, um das christliche Erbe zu sichern.

In der Wiege des Christentums seien die Christen zur Minderheit geworden. Vor dem Hintergrund der starken Auswanderung und Vertreibung von Christen aus der Türkei und dem Irak habe sich bereits gezeigt, “dass mit der Auswanderung der Christen auch ihre Kulturräume verschwinden”, sagte der Professor für Geschichte und Theologie des syrischen Christentums an der Universität Salzburg. Doch ohne diese Kulturräume sei es schwierig, Religion, Kultur und Sprache an die nächste Generation weiterzugeben.

Laut Shemunkasho sehen auch die Christen nach Jahrzehnten der Diktatur und vielen Jahren des Bürgerkriegs “eine neue Chance für Neubeginn”. Sie hätten die Hoffnung, dass die Situation nicht nur für einzelne Gruppen besser wird, sondern für alle Staatsbürger. Doch das ist alles andere als eindeutig. Einige der Rebellen hätten einen islamistischen Hintergrund und die Rolle der ausländischen Akteure, die zum schnellen Erfolg der Offensive beitrugen, sei noch undurchsichtig. Offiziell seien die Rebellen bemüht sich zu mäßigen, auch angesichts der Erwartungen in islamischen Ländern. “Dieses liberale Vorgehen ist ein positives Signal.” Es sei anders als 2014, als Christen zur Konversion gezwungen worden seien oder fliehen mussten.

Derzeit sei es noch nicht absehbar, wie sich künftig die politischen Machtverhältnisse zusammensetzten und ob sich Christen daran beteiligen dürften, deren Bevölkerungsanteil massiv geschrumpft sei. “Vor dem Bürgerkrieg gab es 2,5 Millionen Christen. Davon sind höchstens noch 20 Prozent im Land, die anderen sind ausgewandert”, sagte der Theologe. Für die Christen sei es wichtig, dass sie ein Gefühl der Sicherheit bekommen und als normale Bürger des Landes gelten. Sie sollten nicht benachteiligt werden. Wenn das Gefühl der Benachteiligung zum Alltag gehören sollte, werde auch die Tendenz auswandern zu wollen, bleiben.