An wen denken Sie zum Tag der Pflegenden am 12. Mai? Sicherlich an die überlasteten und viel zu wenigen Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeheimen, die dort trotzdem gute Arbeit leisten.
Aber denken Sie auch an die über 10 Millionen pflegenden Angehörigen, die sich tagtäglich rund um die Uhr um pflegebedürftige Familienmitglieder kümmern? Und das sind nicht nur ältere Menschen, sondern auch Kinder, Jugendliche, junge Menschen, Nachbarn und Freunde. Denn Pflege ist keine Frage des Alters, sondern der Würde des Menschen.
Wir haben in unserem Land inzwischen 5,7 Millionen pflegebedürftige Mitmenschen, von denen mehr als 85 Prozent, also knapp 5 Millionen zu Hause gepflegt werden. Nur 1 Million erhält dabei Unterstützung durch ambulante Pflegedienste. Pflege findet zu Hause statt und erfolgt überwiegend durch Angehörige, auch wenn Politik und viele Medien das nicht erkennen wollen. Auch in unserer Kirche wird bei Pflege zuerst an die professionelle und stationäre Pflege gedacht. Dabei ist irgendwann jeder von häuslicher Pflege betroffen, entweder selbst oder durch Angehörige.
Pflege: Politik ruht sich auf Angehörigen aus
Die Politik ruht sich auf dem Engagement der Angehörigen aus, statt Unterstützung zu geben und eine grundlegende Pflegereform herbeizuführen. Auch der neue Koalitionsvertrag bietet neben vagen Ankündigungen nur die Bildung eines Arbeitskreises, weil man nicht mehr weiterweiß.
Dabei sind die Notwendigkeiten seit langem bekannt. Wir brauchen kurzfristig eine Deckelung der Eigenanteile in der stationären und ambulanten Pflege. Nicht nur im Pflegeheim, auch in der ambulanten Pflege sind die Kosten in den letzten zwei Jahren um 45 Prozent gestiegen. Da das niemand bezahlen kann, müssen die Leistungen der Pflegedienste reduziert werden und die Angehörigen mehr Aufgaben übernehmen. Dies steigert die Überlastung noch weiter und kann zu Unterversorgung führen. Dabei können wir nur gut für unsere Angehörigen sorgen, wenn es uns selbst gut geht.
Warum Pflegen arm machen kann
Unterstützungsstrukturen sind nicht vorhanden oder zu teuer. Es fehlen dem Alter und der Beeinträchtigung entsprechende bezahlbare Angebote. Beratung allein reicht nicht, wir brauchen konkrete bezahlbare Hilfe. Mir ist es in über 20 Jahren nicht gelungen, eine Tagespflege für meine Frau zu finden, da sie zu jung war und nicht die passende Erkrankung hatte.
Wir brauchen dringend das flexible Entlastungsbudget, in dem alle zusätzlichen Leistungen zusammengefasst sind und das dann nach Bedarf und örtlichen Möglichkeiten eingesetzt werden kann. Die Vereinbarkeit von Pflege zu Hause und Beruf muss nicht nur möglich, sondern normal werden. Diejenigen, die wegen der Pflege nur in Teilzeit oder nicht mehr arbeiten können, brauchen eine Lohnersatzleistung, damit sie nicht automatisch in der eigenen Armut landen.
Die Pflege durch Angehörige zu stärken, ist eine wesentliche Lösung für das Problem des Personalmangels in der professionellen Pflege – es gibt keine Alternative dazu.
Diakonie-Kampagne: „Auch Du brauchst Pflege. Irgendwann“
Vor 30 Jahren wurde die soziale Pflegeversicherung als Teilversicherung eingeführt mit dem Ziel, eine gute Pflege zu garantieren und Armut durch Pflege zu verhindern. Wir sind hier leider wieder am Anfangspunkt angekommen. Die Pflegebedürftigen, wir Angehörigen und die professionell Pflegenden stellen inzwischen knapp 20 Prozent der Wahlberechtigten in unserem Land. Wie lange will die Politik noch an uns vorbei regieren?
Deshalb hat die Diakonie zusammen mit weiteren Sozialverbänden, Vereinen und Initiativen die Kampagne „Auch Du brauchst Pflege. Irgendwann“ gestartet. Die Pflege steht an einem politischen Scheidepunkt. Im Interesse von Millionen Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen muss eine umfassende Pflegereform ein zentrales Vorhaben der neuen Bundesregierung werden.
Auch Sie können sich engagieren. Unterstützen Sie die Kampagne. Werden Sie aktiv und unterstützen Sie Pflegebedürftige und Pflegende, zu Hause, in Ihrer Nachbarschaft, an Ihrem Arbeitsplatz, in Ihrer Kirchengemeinde. Seien Sie mutig, stark und beherzt. Machen Sie sich stark für die Pflege!