Danke, liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger, dass Sie wählen gegangen sind. Wir hatten dazu mit aufgerufen, weil die Demokratie davon lebt, dass wir freie Wahlen haben – vor 35 Jahren erkämpft in der friedlichen Revolution, heute wichtiger denn je. Eine erlahmende Demokratie wäre immer eine gefährdete, wäre leichte Beute für Populisten und Extremisten. Deshalb: Die Wahlbeteiligung auf Rekordhöhe, das ist eine wirklich gute Nachricht.
AfD nicht stärkste Kraft: Die Erleichterung trägt nicht auf Dauer
Das Wahlergebnis kann und soll man jetzt einige Tage später differenziert betrachten. Die erste Erleichterung, die ich, wie so viele, verspürt habe, dass die Demokratiefeinde von der AfD nicht stärkste Partei geworden sind, darf ruhig einen Moment anhalten. Aber diese Erleichterung trägt natürlich nicht auf Dauer. Die Frustration, die in diesen vielen Stimmen für den Populismus mit drin steckt, das Gefühl, dass man nicht gehört und nicht gesehen wird mit seinen Fragen und Ängsten, dass alles einfach so weiter geht im Übersehen-Sein, das gilt es ernst zu nehmen. Das politische Geschäft und die Menschen vor Ort müssen im aufeinander Hören und miteinander Reden wieder viel enger zusammenrücken. Nur so lässt sich ein Auseinanderfallen der Gesellschaft bekämpfen.
#Verständigungsorte heißt deshalb ein Projekt von Evangelischer Kirche und Diakonie. Es zeugt von dem Willen, kirchliche Orte für Diskussionen zu öffnen, in denen wirklich Konträres ausgesprochen werden kann. Die Zeit ist dran dafür.
Junge AfD-Wähler: Als Kirche bei den Jugendlichen sein
Große Sorge macht mir auch der starke Zulauf von jüngeren Wählerinnen und Wählern für die AfD. Sie haben in dieser Altersgruppe die Mehrheit. Ich meine: das ist auch eine Aufgabe für unsere kirchliche Jugendarbeit. Ich bin dankbar, dass sie so klar und nachdrücklich Position gegen Menschenfeindlichkeit und für Vielfalt bezieht. Zugleich gilt auch hier: Das Gespräch ist wichtig, das Teilen von Zeit und Fragen. Gebt keinen verloren. Diese evangelische Grundbotschaft gilt gerade hier. Suchen wir, fragen wir, was so viele Jugendliche bewegt. Und warum es sie bewegt. Sind wir als Kirche da, wo sie zu erreichen sind.
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Entscheidend für die Überzeugungskraft der Demokratie ist, dass Sachfragen gelöst werden. Nur so gewinnt man am Ende Vertrauen bei den Menschen. Dass Verantwortung immer auch mit mutigen Schritten zu tun hat, hat diese Wahl nachhaltig vorgeführt. Diesen Mut braucht es auch bei der Gestaltung des Strukturwandels – in der Lausitz, aber wahrlich nicht nur da. Mut, insbesondere Zumutungen anzusprechen und zusammen zu tragen. Schöpfungsbewahrung gibt es nicht umsonst. Gutes Miteinander ebenso wenig.
Dabei sei auch gesagt: Die vielen Menschen, die sich in den Parteien engagieren und sich oft ohne Schonung der eigenen Person einbringen, verdienen unsere Anerkennung. Dauerbeschimpfung und ständige Empörung zermürben sinnlos. Zur Würde aller und zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft gehört, dass wir alle Fehler machen dürfen. Die Demokratie ist jene Staatsform, die Irrtum und Fehlerhaftigkeit dadurch trägt, dass sie Verantwortung teilt und am Ende immer uns allen als Souverän zurückgibt. Bei den Wahlen. Auch sie leben von Voraussetzungen, die wir nicht aus uns selbst machen.
Christian Stäblein ist Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.