Nudeln, Pizza, Pommes – unsere Mahlzeiten werden immer einfältiger. Das gilt für die ländlichen Regionen Ostafrikas wie für die städtische Bevölkerung von São Paulo oder Berlin. Hochertragssorten von Mais oder Weizen verdrängen alte, nährstoffreiche Kulturpflanzen wie Hirse, Sorghum oder Quinoa. Wo früher Steckrübeneintopf und Birnenkompott auf den Tisch kamen, wird heute eine Fertigpizza in den Ofen geschoben und ein überzuckerter Joghurt gegessen. Die Ernährungsgewohnheiten gleichen sich weltweit immer stärker an und werden dabei häufig ungesünder. Wir nehmen zu viele leere Kalorien zu uns. Mangel- und Fehlernährung sind die Folge. Dabei hat jede Region ihre eigenen Spezialitäten, ihre alten Kulturpflanzen, die reich an Nährstoffen sind und zum Standort passen. Neue Züchtungen dieser alten Kulturpflanzen sowie nachhaltige Anbaumethoden können die Erträge steigern. Diese traditionelle Vielfalt auf den Feldern sollte sich auf unseren Tellern spiegeln: Salat und Maismehlfladen (Tortillas) in Costa Rica, Hirsebrei mit Bohnen und Gemüse in Afrika, Quinoa in Peru, Knollenfrüchte und Petersilie in Deutschland.
Damit alle Menschen sich gesund ernähren können, setzt sich Brot für die Welt für mehr Vielfalt auf dem Teller und auf dem Feld ein, zum Beispiel in Indien. Die indische Regierung fördert besonders die industrielle Landwirtschaft. Viele Kleinbauernfamilien kämpfen deswegen ums Überleben. Weltmarktriesen wie der US-amerikanische Konzern Monsanto verbreiten gentechnisch verändertes Saatgut. Viele Bauern und Bäuerinnen sehen sich gezwungen, das teure Saatgut, den Kunstdünger und Pestizide des Konzerns zu kaufen. Dabei verschulden sie sich. Bleibt die Ernte dann hinter den Erwartungen zurück, können sie ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen. Es wird vermutet, dass die Überschuldung in den vergangenen Jahren mehr als 200 000 Männer und Frauen in den Selbstmord getrieben hat. Um Kleinbauern eine Lebensperspektive zu geben, gründete Vandana Shiva (sie ist Trägerin des Alternativen Nobelpreises) die Organisation Navdanya. Brot für die Welt unterstützt sie. Diese Organisation baut dörfliche Saatgutbanken auf. In denen werden Getreide- und Gemüsesamen bewahrt, vermehrt und verteilt. Die Samen von 1000 verschiedenen Pflanzen sorgen dafür, dass Menschen in Indien nicht nur satt sind, sondern auch mit genug Nährstoffen versorgt sind.
In einem Interview mit „Brot für die Welt“ erklärt Vandana Shiva: „Der Kampf gegen den Hunger ist auch ein Kampf gegen das Vergessen. Unser jetziges Ernährungssystem ist ausschließlich auf Profit ausgerichtet. Auch deswegen gibt es heute so viele Hungernde auf der Welt. Wenn wir traditionelle Pflanzen, ,vergessene Lebensmittel‘, wieder auf unsere Felder und unsere Teller bringen, dann haben wir wieder sehr nährstoffreiches Essen, das uns ausgewogen ernährt. Ein gutes Beispiel in Indien ist die Finger-Hirse, die so genannt wird, weil sie wie eine Hand aussieht. Diese Pflanze enthält so viel Kalzium, dass ein Kind, das keine Milch bekommt, trotzdem nicht unter Kalzium-Mangel leidet. Sie enthält so viel Eisen, dass keine Frau mehr Eisenmangel haben wird. Und sie enthält viele Ballaststoffe und Spurenelemente. Oder Amarant. Das ist die mineralstoffreichste Nahrungspflanze überhaupt. Dennoch sind all diese Lebensmittel als primitiv und rückständig erklärt und von den Feldern verdrängt worden. Dabei sind sie nicht nur unglaublich nahrhaft, sondern auch anspruchslos, sie verbrauchen kaum Ressourcen.
Obwohl diese ,vergessenen Lebensmittel‘ einen sehr kleinen ökologischen Fußabdruck haben, sind sie die Größten, was Nährstoffe angeht. Das Schönste aber ist, dass man so viele verschiedene Sachen daraus machen kann. Durch unsere Aufklärungsarbeit ist die Finger-Hirse wieder so beliebt geworden, dass man sie selbst in Keksen und Kuchen oder in Nudeln wiederfindet.“
Inzwischen hat Navdanya mehr als 55 Samenbanken aufgebaut und über 50 000 Bauernfamilien überzeugt, auf ökologischen Landbau umzustellen.