Lieber keine Weihnachtsbäume aufstellen, lieber keine christlichen Feste mehr feiern – das hat eine Hamburger Kita vor Kurzem beschlossen. Begründung: Man wolle in der Einrichtung „die Religionsfreiheit“ wahren und kein Kind ausschließen, so die Leiterin laut Medienberichten.
Unter den Eltern soll das Empörung ausgelöst haben. Gott sei Dank!, möchte man rufen. Denn auch wenn die Kita-Leitung mit ihrem Beschluss offenbar der Gemeinschaft und dem Zusammenhalt aller dienen will – am Ende dient sie eher dem Zerfall der Gesellschaft.
Wir sollten unsere Wurzeln nicht verstecken
Wir sind in Deutschland christlich geprägt, zumindest von unseren Wurzeln her. Warum sollten wir das verstecken, verleugnen oder diese Wurzeln gar herausreißen, aus Rücksicht auf Menschen, die andere Wurzeln haben? Das Gegenteil würde ich mir wünschen: dass Kinder in der Kita die Unterschiede der Kulturen und Religionen lernen, sehen und erleben.

Dann wird eben nicht nur christlich-deutsch Advent gefeiert, sondern der Junge aus Syrien, das Mädchen aus Russland werden eingeladen, zusammen mit ihren Eltern von den religiösen Festen in ihrer Herkunftsländern zu erzählen oder eine solche Feier mal in der Kita auszurichten. Und alle gemeinsam könnten der Frage nachgehen, was Weihnachten eigentlich den vielen Deutschen bedeutet, die im Zuge der Säkularisierung gar keinen Gott mehr annehmen und die Weihnachtsgeschichte nur noch als Märchen hören (wenn überhaupt).
Der Friede braucht es, dass wir Unterschiede aushalten
Neutralität gibt es nicht. Wir Menschen haben die gleichen Grundbedürfnisse, aber unterschiedliche Geschichten, Gepflogenheiten, Perspektiven und Überzeugungen. Wenn schon die Kinder in den Kitas lernen, dass solche Unterschiede bereichernd sein können, dass die Welt so bunt ist wie ein Kaleidoskop, dann ist das nicht nur für jede einzelne Familie ein Segen, sondern am Ende für die ganze Welt. Denn so wächst eine Generation heran, die für den Frieden weit besser gerüstet ist als die jetzige. Der Friede braucht es nicht, dass wir alle gleich sind. Der Friede braucht es, dass wir Unterschiede aushalten und respektieren können, sie vielleicht sogar feiern und genießen.
Ich habe als Jugendliche mal eine Brieffreundschaft mit einem Mädchen geführt, das Zeugin Jehovas war, während ich mich in einer evangelischen Gemeinde geborgen fühlte. Ich weiß noch, wie verblüfft ich war, als sie mir schrieb, dass sie und ihre Eltern sich zu Weihnachten und zum Geburtstag nichts schenken würden – aus religiösen Gründen. Wieso das? Ich habe Fragen gestellt, auch zu anderen Details ihres Glaubensalltags. Keine von uns beiden hat versucht, die andere von der eigenen Sichtweise zu überzeugen. Wir haben einfach gemeinsam die Unterschiede bestaunt.
Religionsfreiheit bedeutet nicht frei von Religion
Zurück zur Kita in Hamburg: Auch der Begriff „Religionsfreiheit“ wird in sein Gegenteil verkehrt, wenn man so argumentiert wie die besagte Leitung. Denn Religionsfreiheit bedeutet ja gerade nicht, dass wir alle frei sein müssten von religiösen Überzeugungen oder Ritualen. Vielmehr gilt: Diejenigen, die wollen, dürfen ihren Glauben erkennbar leben. Muslima und Muslime, Jüdinnen und Juden, Anders-Gläubige und selbstverständlich auch Christinnen und Christen. Die Religionsfreiheit ist eine Freiheit zu, nicht eine Freiheit von. Nutzen wir sie. Dann kann der Weihnachtsbaum gern stehen bleiben und für manche sogar Christbaum heißen.