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Razzia gegen Buchladen sorgt für Proteste in Jerusalem

Der palästinensische “Educational Bookshop” in Ostjerusalem gilt als Ort des Dialogs und eines reichen Sortiments zum Nahostkonflikt. Jetzt wurde er Ziel einer Polizeirazzia – die Kritik und Solidarität hervorrief.

Ein Tag Haft, fünf Tage Hausarrest und umgerechnet 1.350 Euro Strafe: Das ist das Verdikt eines Jerusalemer Gerichts von Montag gegen Mahmud und Ahmed Muna von der renommierten Ostjerusalemer Buchhandlung “Educational Bookshop”. Das Urteil, gegen das am Montagnachmittag eine Berufung scheiterte, sorgte für Kritik und breite Solidarität. Am Morgen versammelten sich Dutzende vor und im Magistratsgericht, darunter Diplomaten mehrerer Länder. Weitere kamen am Nachmittag, um Bücher zu kaufen und die Freilassung der beiden Verhafteten zu fordern.

Don Binder, Kaplan des anglikanischen Erzbischofs in Jerusalem, überbrachte Grüße von seinem Dienstherrn Husam Elias Naoum und sprach der Familie in dessen Namen Unterstützung aus. Weitere Kirchenvertreter drängten sich mit Expats und Einheimischen in dem kleinen Laden, der sich auf die Kultur des Nahen Ostens und den arabisch-israelischen Konflikt spezialisiert hat.

Am Sonntagnachmittag hatte die israelische Polizei eine Razzia gegen zwei Filialen des “Educational Bookshop” gestartet und Mahmud und Ahmed Muna festgenommen. In einer ersten Mitteilung der Polizei von Montag wurde ihnen vorgeworfen, Bücher mit aufrührerischem Inhalt zu verkaufen. Zu den beschlagnahmten Werken gehört ein Malbuch für Kinder mit dem Titel “From the river to the sea”. Der Ausdruck, der das Gebiet vom Jordanfluss bis zum Mittelmeer meint, wird sowohl von Israelis als auch von Palästinensern verwendet, um ihren Anspruch auf das gesamte Staatsgebiet Israels inklusive der palästinensischen Gebiete für die jeweils eigene Volksgruppe zu reklamieren. Vor Gericht wurde der Vorwurf auf Störung der öffentlichen Ordnung geändert, wie örtliche Medien berichteten.

Es sei eine politisch motivierte Festnahme, glaubt Murad Muna, “um unsere Stimme zum Schweigen zu bringen”. Im “Educational Bookshop” glaube man an Bildung und Wissen, sagt der Bruder von Mahmud und eines von sechs Geschwistern der Besitzerfamilie. Die Buchhandlung mit zwei Filialen in der belebten Ostjerusalemer Salaeddin-Straße und einem weiteren Ableger im bekannten American Colony Hotel gilt als Institution. Seit 1984 stehen hier Werke von palästinensischen und israelischen Autoren auf Englisch und Arabisch Rücken an Rücken. “Wir haben Bücher von allen Teilen der politischen Landkarte”, sagte Murad Muna der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Wir haben keine Angst, unsere Meinung zu sagen und anderen Meinungen Raum zu geben.”

Es ist ein Ort des Dialogs, der seinesgleichen in der Stadt sucht, sagt Abraham Burg. “Als Autor, der verschiedene Bücher hier vorgestellt hat, bin ich beschämt, was meinem Volk passiert: Das Volk des Buches hat Angst vor Buchliebhabern”, so der frühere Sprecher des israelischen Parlaments. “Zwischen der jüdischen Ignoranz, die die Regierung und die Polizei unter sich hat, und den mutigen Menschen, die Bücher veröffentlichen, verkaufen und lesen, werden die Buchliebhaber gewinnen. Am Ende des Tages werden unsere Bücher stärker sein als ihre Oberflächlichkeit.”

“Schockiert und beschämt” zeigte sich auch Galit Samuel. Sie sei aus Tel Aviv gekommen, um der Familie Unterstützung und Solidarität auszusprechen und “gegen die willkürliche Verhaftung friedvoller Menschen” zu protestieren, sagte sie der KNA. Die Beschlagnahmung von Büchern in einem Land, das sich demokratisch nenne, zeige, wie weit es mit dem Faschismus in Israel gekommen sei, meint die jüdische Israelin. Sie zählt sich zu den regelmäßigen Besucherinnen des Buchladens.

Die Razzia und Festnahme der Munas rief auch die deutschen diplomatischen Vertreter auf den Plan. Mit ihrem Engagement für Kultur, Dialog und Bildung verkörperten die Mitinhaber des Bildungsbuchladens “ein weltoffenes, friedliches Jerusalem”, kommentierte der Leiter des deutschen Vertretungsbüros in Ramallah, Oliver Owcza, auf der Plattform X und forderte rasche Aufklärung. Sein Amtskollege in Tel Aviv, Botschafter Steffen Seibert, bekannte sich auf X als regelmäßiger Kunde. Er kenne die Besitzerfamilie als “friedliebende, stolze palästinensische Jerusalemer, die offen für Diskussionen und intellektuellen Austausch sind”.

Die Inhaber der Buchhandlung seien nicht nur belesen und gebildet, sondern “bewundernswert entschlossen und mutig”, sagte Burg der KNA. Seit 40 Jahren wandelten sie erfolgreich “auf dem schmalen Grat zwischen politischen Kriegsgebieten und fordern beide nationalen Gemeinschaften in Jerusalem heraus”. Das Vorgehen der Polizei gegen den bekannten Laden bezeichnete er als Fehler, aber einen, der ihn optimistisch stimme: “Es zeigt, dass jemand Angst hat vor dem geschriebenen Wort, vor Inhalten und vor Alternativen.”