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NS-Gedenkstätten in NRW verzeichnen 2023 steigende Besucherzahlen

Die großen NS-Mahn- und Gedenkstätten in Nordrhein-Westfalen haben 2023 im Vergleich zum Jahr davor deutlich mehr Besucherinnen und Besucher gezählt. Die Einrichtungen berichten zugleich von einem Anstieg der antisemitischen Vorfälle seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober, wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienst (epd) ergab.

Die meisten Gäste verzeichnete das NS-Dokumentationszentrum in Köln. 2023 besuchten 76.580 Menschen das Zentrum, das die Geschichte der früheren Zentrale der Gestapo in Köln beleuchtet. Das waren rund 17.800 mehr als im Jahr davor (58.776). Die Düsseldorfer Mahn- und Gedenkstätte im historischen Stadthaus der NRW-Landeshauptstadt registrierte 32.459 Besucher (2022: 23.303). Das Forum Vogelsang IP, eine ehemalige NS-Ordensburg im Nationalpark Eifel bei Bonn, blieb mit einer Gästezahl von 222.000 annähernd auf Vorjahres-Niveau von 221.000.

Die frühere SS-Kaderschmiede Wewelsburg bei Paderborn, heute Kreismuseum mit NS-Erinnerungs- und Gedenkstätte, zählte im vergangenen Jahr rund 44.750 Gäste und damit über 9.000 mehr als 2022 (35.417). Der NS-Geschichtsort Villa ten Hompel, Sitz der Ordnungspolizei im Nationalsozialismus, in Münster registrierte 18.475 Gäste und damit etwa 4.000 mehr als 2022. Die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache in Dortmund verzeichnete 2023 etwa 13.000 Besucherinnen und Besuche, etwa 3.000 mehr als im Vorjahr.

Das Dokumentationszentrum in Köln berichtet von über 20 antisemitischen Vorfällen im Jahr 2023. 70 Prozent der dokumentierten Fälle hätten sich nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober ereignet, teilte Charlotte Pinon von der Öffentlichkeitsarbeit des NS-Dokumentationszentrums mit. Neben antisemitischen Einträgen im Gästebuch habe es E-Mails mit extremistischen Inhalten gegeben.

Stefan Querl, Leiter der Villa ten Hompel in Münster, beobachtet in Gesprächen mit Gästen „eine massive Diskursverschiebung“ in Richtung von Antisemitismus. „Es handelt sich mitnichten um ein gesellschaftliches Randphänomen, und der 7. Oktober kommt als regelrechte Zäsur aktuell hinzu“, sagte er. Die Villa ten Hompel erreichten seit der erneuten Eskalation im Nahost-Konflikt vermehrt Anfragen von Lehrkräften, wie politischen Provokationen im Schulalltag zu begegnen seien, sagte Querl weiter. Der Geschichtsort bietet in Kooperation mit der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem eine Weiterbildung zum Thema Antisemitismus für Pädagoginnen und Pädagogen an.

Am Kreismuseum Wewelsburg war nach dem 7. Oktober sechs Wochen lang eine Israel-Fahne als Zeichen der Solidarität gehisst. Das sei vielfach von Einzelbesuchern negativ kommentiert worden, erzählte die Museumsleiterin Kirsten John-Stucke. „Dies gab verstärkt Anlass zu Gesprächen über den Nahost-Konflikt.“ Auch der Leiter der Düsseldorfer Mahn- und Gedenkstätte, Bastian Fleermann, bestätigte eine große Nachfrage zu Israel und dem Gaza-Streifen. Insbesondere bei Schülerinnen und Schülern sei der Wunsch nach Einordnung und Orientierung erkennbar, sagte Fleermann dem epd. Die Gedenkstätte habe deshalb ein großflächiges Plakatlexikon entwickelt: von „A wie Angriff der Hamas“ bis „Z wie Zweistaatenlösung“.