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Münchner Ägyptisches Museum zeigt Schau zum Prozess von Eichmann

Hannah Arendt nannte Adolf Eichmann einen “Hanswurst von empörender Dummheit”. Kein anderer NS-Täter wurde in ähnlicher Weise über- und unterschätzt. Eine topaktuelle Schau in München erzählt nun seine Geschichte.

Ein untergetauchter Nazi-Verbrecher, eine geheime Verfolgungsaktion, eine spektakuläre Ergreifung; dann die Entführung von Adolf Eichmann nach Israel und der weltweit Aufsehen erregende Prozess in Jerusalem – so könnte man knapp das dramatische Geschehen zusammenfassen, dem sich die Ausstellung “Operation Finale” widmet. Zu sehen ist sie bis 30. April 2024 im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst in München.

Der Ort ist bewusst gewählt. Denn das Haus steht auf jenem Areal, auf dem 1938 mit dem Bau eines Kanzleigebäudes der NSDAP begonnen wurde. Die Schau wird im einstigen Keller gezeigt.

Der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (1903-1968) und der israelische Geheimdienst Mossad hatten Eichmann 1960 nach einem privaten Tipp in Argentinien ausfindig gemacht. Was folgte, war der erste große Prozess, in dem die überlebenden Opfer des Holocaust vor der Weltöffentlichkeit Zeugnis von den Verbrechen der Nazis ablegten. Für Eichmann endete er 1961 mit dem Todesurteil.

Im Berliner Reichssicherheitshauptamt war der SS-Obersturmbannführer maßgeblich für die Deportation und Ermordung der Juden verantwortlich. Nach 1945 gelang ihm die Flucht nach Südamerika, wo er 15 Jahre untertauchen konnte. Als “Ricardo Klement” führte er mit seiner Familie das beschauliche Leben eines Kleinbürgers und umgab sich mit anderen Nationalsozialisten. Am 11. Mai 1960 ergriffen ihn Agenten des Mossad in einem Vorort von Buenos Aires und entführten ihn nach Israel.

Vorausgegangen war eine jahrelange Suche auf der ganzen Welt nach einem der zentralen Organisatoren des Holocaust. Die Ausstellung geht unter anderem der Frage nach, warum sich Bauer, selbst ein Holocaust-Überlebender, entschieden hatte, die Informationen über Eichmann mit dem Mossad zu teilen und nicht mit den deutschen Geheimdiensten; und warum die Verfolgung von Nazis durch die deutsche Justiz so zögerlich war.

Bauer war auch der Hauptinitiator der Frankfurter Auschwitz-Prozesse, die er gegen alle Widerstände durchsetzte. Hauptsächlich ihm ist es zu verdanken, dass die deutsche Gesellschaft und Rechtsprechung der Nachkriegszeit die Erinnerung an die NS-Verbrechen nicht einfach verdrängen konnten.

“Operation Finale” stammt aus Israel und den USA. Dort war die Schau bisher in acht großen Städten zu erleben. Nun wird sie erstmals in Deutschland präsentiert. Die Multimedia-Ausstellung mit 60 Originalexponaten, 70 Fotografien, kurzen Filmausschnitten, Dokumenten und Landkarten versetzt die Besuchenden direkt in die Zeit vor gut 60 Jahren.

Zu sehen sind etwa eine Nachbildung der kugelsicheren Glaskabine, in der Eichmann während des Prozesses aussagte, und die Leica-Kamera, mit der die Mossad-Agenten ihn heimlich ablichteten. Auch präparierte Diplomatenauto-Nummernschilder, Gegenstände, die er bei seiner Verhaftung bei sich hatte, seine gefälschten Ausweise, und Originaltonbänder mit seinen Verhören gehören zu den Exponaten.

Am erschütterndsten aber sind die Dokumentaraufnahmen vom Prozess in Jerusalem. Als ein Holocaust-Überlebender vor Gericht als Zeuge aussagt, bricht er zusammen und stürzt ohnmächtig zu Boden. Bis heute fassungslos macht einen der ungeheuerliche Satz von Eichmann, dass er das Brechen der Loyalität gegenüber seinen Vorgesetzten für das größte Verbrechen überhaupt hält; auf Nachfrage des Richters fügt er hinzu: größer als den Mord an über sechs Millionen Juden.

Erst durch die fast 100 Zeugenaussagen im Prozess, über ihren Schmerz und das unerträgliche Leid der Opfer, entwickelte sich weltweit ein tieferes Verständnis des Holocaust. Diese Ausstellung leistet einen großen Beitrag zur Erinnerungsarbeit aus einer ungewöhnlichen Perspektive.

“Die Menschen wachen nicht morgens auf und sagen: Was für ein wunderbarer Tag. Lass uns ins Holocaust-Museum gehen”, sagt Kurator Avner Avraham. Dann ergänzt der ehemalige Mossad-Agent: “Wir müssen einen anderen Weg finden, um der jungen Generation die Geschichte zu erzählen.” Dass die Ausstellung erstmals in Deutschland zu sehen sei, nennt er symbolträchtig: “Es ist so wichtig für die junge Generation. Es ist so wichtig für die Zukunft Israels, die Zukunft Deutschlands.”