Der Militärhistoriker Sönke Neitzel glaubt nicht, dass Russland in Warschau oder Berlin einmarschieren will. Russland werde sich eher auf ein begrenztes Testen der Nato konzentrieren mit dem Ziel, diese politisch zu zerstören, sagte der Professor an der Universität Potsdam der „Frankfurter Rundschau“ (Mittwoch). Gleichzeitig sei es denkbar, dass ein geplantes Manöver von Russland und Belarus im September dem Überfall Litauens diene.
„Man könnte also 100.000 Soldaten 30 Kilometer vor der weißrussischen Grenze nach Vilnius einmarschieren lassen“, sagte Neitzel. Das sei Russland operativ zuzutrauen, mehr aber auch nicht. Er hoffe, dass Europa in diesem Szenario bereit sei, seine Souveränität zu verteidigen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hätten „ja stets gesagt, dass jeder Quadratzentimeter Nato-Bodens verteidigt wird“. Ein Bundeskanzler müsste den unbedingten Willen entwickeln, ernsthafte Bundeswehr-Reformen umzusetzen.