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Mehr Sensibilität

Der Israel-Sonntag ist nicht irgendein Sonntag. Und in diesem Jahr schon gar nicht. Das macht Christoph Markschies, Professor für Ältere Kirchengeschichte in Berlin, im Titelkommentar deutlich. Er erklärt, warum das jüdische Volk einen festen Platz in der Grundordnung unserer Landeskirche hat und warum daran in diesem Jahr besonders energisch erinnert werden muss.

In diesem Jahr ist manches anders. Antisemitische Ausfälle häufen sich. Deshalb muss am Israel-Sonntag besonders energisch an die Grundlagen unseres Glaubens und die Grundordnung unserer Kirche erinnert werden.

Von Christoph Markschies Warum ist der Israel-Sonntag nicht einer unter vielen im Jahr? Der Israel-Sonntag ist schon deswegen kein beliebiger Sonntag, weil das jüdische Volk ein Thema der Grundartikel der Grundordnung unserer Landeskirche ist, also ein Grundthema unseres kirchlichen Lebens. So, wie wir Weihnachten, in der Passionszeit und zu Ostern bedenken und feiern, was Jesus Christus für unseren Glauben bedeutet, so bedenken und feiern wir am Israel-Sonntag, was das Judentum für den christlichen Glauben bedeutet.

Unsere Grundordnung ist bei diesem Thema ganz klar: Am Israel- Sonntag bedenken und feiern wir, dass „Gottes Verheißung für sein Volk gültig bleibt“. Wir zeigen, dass es uns mit der „Anteilnahme am Weg des jüdischen Volkes“ ernst ist und wir tatsächlich in „Lehre und Leben dem Verhältnis zum jüdischen Volk besondere Bedeutung“ zumessen. Außerdem erinnern wir an die „Mitschuld der Kirche an der Ausgrenzung und Vernichtung jüdischen Lebens“. Schließlich bietet der Israel-Sonntag gute Gelegenheit, gemeinsam mit dem Judentum auf Gottes Weisung zu hören und auf die Vollendung der Gottesherrschaft zu hoffen, wie ebenfalls in der Grundordnung steht: In nicht wenigen Gemeinden legt ein Rabbiner oder eine Rabbinerin den Bibeltext aus, es werden jüdische Texte gelesen und dazu erklingt jüdische Musik.

Aber in diesem Jahr ist doch manches anders als sonst und auch deswegen ist der Israel-Sonntag nicht einer unter vielen im Jahr. In Berlin ist es zu einigen spektakulären Vorfällen gegen jüdische Menschen oder solche, die aufgrund einer Kippa dafür gehalten werden, gekommen und im weltweiten Web häufen sich auch hierzulande anti – semitische Ausfälle.

Der emeritierte Papst fragt, ob das, was evangelische und katho – lische Kirche seit Jahrzehnten gemeinsam über die ungekündigten Verheißungen für das jüdische Volk in ihren Grundtexten bekennen, vielleicht nicht doch zu wenig gründlich bedacht wurde. Ordinierte Pfarrer wissen nicht mehr, dass das Alte Testament wie in allen christlichen Kirchen seit 2 000 Jahren auch in der EKBO und in der ganzen Evangelischen Kirche in Deutschland der erste Teil der zweiteiligen christlichen Bibel ist. Und dann schlägt man noch seine Kirchenzeitung auf und findet eine ganz trübe Karikatur darin.

Natürlich haben alle diese Ereignisse aus den letzten Monaten und Jahren nicht direkt etwas miteinander zu tun. Aber sie machen deutlich, dass dieses Jahr am Israel- Sonntag besonders energisch an die Grundlagen unseres Glaubens und an die Grundordnung unserer Kirche erinnert werden muss: Wenn einem Menschen in Berlin die Kippa vom Kopf geschlagen wird, wird jemand als Angehöriger eines Volkes geschlagen, dem Gottes Verheißungen gelten. Wenn der Staat Israel gehässig oder auch nur undifferenziert dargestellt wird, ist das keine Anteilnahme. Es wird zudem ignoriert, dass dieses Land die einzige sichere Heimstatt des jüdischen Volkes auf dieser Welt ist. Und theologische Experimente, die dazu führen, dass das Bekenntnis unserer Kirche in Frage gestellt wird, sollte man besser unterlassen.

Nicht nur in diesen Tagen ist Sensibilität im Blick auf das Judentum von uns gefordert. Um eine solche Haltung einzuüben, gibt es – Gott sei Dank – den Israel-Sonntag als gute Gelegenheit.

Am Israelsonntag predigt Christoph Markschies im hORA-Gottesdienst in der Berliner St. Matthäus-Kirche.Hier gibt es alle Infos:

www.stiftung-stmatthaeus.de/veranstaltung/hora-liturgie-wort-musik-a266b15770/