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Medienethiker kritisieren Haltung der “Welt” zu Elon Musk

Ein Gastkommentar von Elon Musk in der “Welt am Sonntag” schlägt weiter Wellen. Die Zeitung habe sich zum Steigbügelhalter eines Mannes gemacht, der die Grundfesten der liberalen Demokratie abbauen wolle, so Kritiker.

Nach der Kontroverse über einen Gastkommentar des US-Unternehmers und Trump-Beraters Elon Musk in der “Welt am Sonntag” haben Medienethiker das Vorgehen des zum Springer-Konzern gehörenden Blattes kritisiert. Musk hatte in der Zeitung die AfD zum “letzten Funken Hoffnung” für Deutschland erklärt und zur Wahl der Partei aufgerufen. Am Silvestertag ging Musk zudem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einem Post auf seinem Social Media Kanal X direkt an, nannte den Bundespräsidenten einen “anti-demokratischen Tyrann” und schrieb: “Schande über ihn.”

Für den Sozialethiker Alexander Filipovic von der Universität Wien ist “diese Aufregung natürlich gewünscht und Teil des Spiels”. Der Gastkommentar in der “Welt am Sonntag” sei aber nur ein Mosaikstein. “Die größere Gefahr ist die Art und Weise, wie Social Media benutzt wird, um große Meinungsströme und die Grenzen des Sagbaren zu verschieben und die Grundlagen liberaler menschenrechtsbasierter Demokratie zu erschüttern. Und das halte ich tatsächlich für enorm gefährlich”, sagte Filipovic am Neujahrstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Die “Welt” habe sich hier zum “Steigbügelhalter” Musks gemacht. “Man sieht ja überdeutlich, was Musk versucht: Er will destabilisieren und aus dem Chaos ökonomischen Profit schlagen. Das ist alles so durchsichtig: Das hat er mit dem Bankensystem gemacht, der Raumfahrt, der Autoindustrie. Disruption klingt ja so wahnsinnig toll – und jetzt soll eben die Politik zerstört werden. Am Ende gewinnt immer nur einer, nämlich Musk”, meint Filipovic: “Es ist so durchsichtig – und dass die ‘Welt’ sich herablässt, halte ich persönlich eher für armselig.”

Die “Welt am Sonntag” habe durch den Gastkommentar dem Unternehmer ein völlig unzulässiges Gewicht gegeben, sagte auch die Medienexpertin Claudia Paganini, die an der Universität Innsbruck und der Hochschule für Philosophie München als Professorin Medienethik lehrt. “Musk wird eine Bühne geschaffen, er wird als jemand eingeführt, der tatsächlich etwas zu sagen hat. Aber de facto hat Musk in der deutschen Innenpolitik nichts zu sagen.”

Durch die prominente Platzierung in der “Welt am Sonntag” entstehe ein falscher Eindruck, während Musks Tiraden gegen Scholz und Steinmeier auf X klar in die Sphäre der “Bullshit-Debatte” gehörten. “Wenn die Zeitung vorgibt, hier nur die Diskussionskultur und die Vielfalt der Meinungen fördern zu wollen, hätte sie ein anderes Genre wählen müssen – ein Interview statt des Gastkommentars beispielsweise, wo man durch die Fragen wirklich Konter gibt”, so Paganini gegenüber KNA. Doch genau das sei eben nicht passiert.

Sozialethiker Filipovic sagte, er könne “gut verstehen, wenn jetzt gestandene Journalistinnen und Journalisten aus der Redaktion sagen, so etwas machen wir nicht, das gehört nicht zu unserer Idee von qualitativem Journalismus”. Dennoch könne Deutschland “ein gut gemachtes konservatives Blatt” gebrauchen. “Und das ist ja das, was die ‘Welt’ früher mal war und was sie in Teilen auch immer noch ist.”

Er könne einerseits verstehen, dass die Meinungschefin des Blattes gekündigt habe. “Aber auf der anderen Seite ist so ein Text auch nicht die totale Katastrophe, zumal es ja die Gegenrede gab”, so Filipovic mit Bezug auf den parallel erschienen Text von “Welt”-Chefredakteur Jan Philipp Burgard. Allerdings habe auch in diesem Kommentar die Analyse gefehlt, “dass es hier um den strategisch angelegten Abbau der Grundfesten unserer liberalen Demokratie geht. Und wenn die ‘Welt’ nicht sieht, was da passiert, ist das ein Armutszeugnis.”