In Syrien hat sich binnen weniger Tage die gesamte politische Lage verändert. Aus Sicht einiger Grund, bereits über eine Rückkehr der Syrer in Deutschland zu sprechen. Viele, auch die Regierung, halten deutlich dagegen.
Die Lage in Syrien ist nach Einschätzung der Bundesregierung viel zu unübersichtlich für eine seriöse Einschätzung. Folglich sei eine Debatte über eine zeitnahe Rückkehr syrischer Geflüchteter fehl am Platz, hieß es von Ministern der SPD und Grünen am Mittwoch. Die Bearbeitung vorliegender Asylanträge von Syrern pausiert aufgrund der unklaren politischen Lage vorerst. Es können aber laut Bundesinnenministerium weiterhin Anträge gestellt werden.
Aus der Union war am Tag nach dem Machtputsch von islamistischen Milizen gegen Machthaber Baschar al-Assad eine Debatte über den weiteren Umgang mit syrischen Geflüchteten in Deutschland angestoßen worden. Viele Hilfswerke kritisierten dies als unredlich. Auch aus der Politik gab es deutliche Gegenworte.
Eine solche “Sprücheklopferpolitik” sei gefährlich, sagte Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD). Es sei verstörend jetzt darüber zu diskutieren, wer, wann nach Syrien zurückkehren könne. “Wie soll eine syrische Familien jetzt schon eine Entscheidung über eine Rückkehr fällen, wenn sie nicht einmal weiß, ob ihre Kinder vor Ort zu Schulen gehen können, es Essen oder eine Krankenversorgung gibt?”
Es sei gut, dass Assad weg sei. “Hoffnung ist im Bezug auf Syrien erlaubt, aber Gewissheit gibt es noch nicht.” In diesem jetzigen kurzen Zeitfenster sei es wichtig, positiv auf die Entwicklung Einfluss zu nehmen, dass künftig Rechte für religiöse und gesellschaftliche Minderheiten gewahrt würden, bekräftigte Schulze.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich zuvor ähnlich positioniert. Deutschland und andere Länder sollten dafür sorgen, dass die Chance nicht verstreiche, “dass dort eine rechtlich sichere Lebensweise möglich ist, dass Demokratie entsteht, dass Menschen unterschiedlicher Religion gut zusammenleben können”, so Scholz in den Tagesthemen.
Von Nichtregierungsorganisationen kamen mahnende Worte. Der Syrien-Experte Ralf Südhoff nannte die Debatte unverantwortlich. “Die humanitäre Lage in Syrien ist weiterhin katastrophal”, sagte der Leiter der Denkfabrik Centre for Humanitarian Action der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin. Wirtschaftskrise, Sanktionen und Konflikte hätten Millionen verarmen lassen. Es sei vollkommen unklar, was für eine Ordnung sich etabliere, ob sich diese vom Taliban-Regime in Afghanistan unterscheiden werde oder ob das Land im Chaos versinke.
Caritas international hat nach eigenen Angaben mit den Rebellengruppen in Syrien bislang gute Erfahrungen gemacht. In den von ihnen beherrschten Gebieten habe es alles in allem eine berechenbare Zusammenarbeit gegeben, sagte Leiter Oliver Müller dem NDR. Die Caritas habe Hilfsgüter ins Land bringen und die wirklich Bedürftigen erreichen können. Müller äußerte sich vorsichtig optimistisch, dass die Caritas in Aleppo und Damaskus weiter tätig sein kann.
Zugleich betonte er, die Lebensbedingungen vor Ort seien schwierig, Lebensmittelpreise enorm gestiegen, medizinische Einrichtungen vielfach zerstört. Auch Malteser International verwies auf eine schwierige, oft dramatische humanitäre Lage im Land. Die Menschen benötigten neben therapeutischer und klinischer Betreuung vor allem psychologische Unterstützung.